Dutzende syrische Regierungskämpfer bei US-geführtem Angriff getötet
Bei Luftangriffen der US-geführten Militärkoalition im Osten Syriens sind in der Nacht zu Donnerstag dutzende syrische Regierungskämpfer getötet worden. Ein US-Militärvertreter in Washington sprach von mehr als hundert getöteten Kämpfern, die zuvor Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) attackiert hätten. Beim Beschuss der Rebellenhochburg Ost-Ghuta wurden derweil erneut dutzende Zivilisten getötet.
Laut dem US-Militärvertreter hatten die Regierungstruppen das SDF-Hauptquartier in Deir Essor mit Panzern und Artillerie beschossen. Daraufhin habe die US-geführte Koalition, die in Syrien gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kämpft, zur "Selbstverteidigung" einen Gegenangriff mit Kampfflugzeugen und Artillerie gestartet, bei dem mehr als hundert Kämpfer getötet worden seien.
Das syrische Staatsfernsehen sprach von einer "neuen Aggression" der Militärkoalition, bei dem Dutzende Mitglieder der "Volkskräfte" getroffen worden seien. Damit waren offenbar mit der Armee verbündete Milizen gemeint. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von 45 Toten auf Seiten der Regierungstruppen.
Laut der in Großbritannien ansässigen Organisation trafen die Angriffe regierungstreue Stammeskämpfer und afghanische Milizen in der Stadt Chascham, die am Euphrat wenige Kilometer flussabwärts von Deir Essor gelegen ist. Demnach wollten die Regierungstruppen mit ihrem Vorstoß vermutlich ein Ölfeld einnehmen, das von der SDF kontrolliert wird.
Bei den SDF handelt es sich um ein kurdisch-arabisches Bündnis, das von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) dominiert wird. Die USA unterstützen das Bündnis im Kampf gegen die IS-Miliz trotz der Proteste der Türkei, die in der YPG den syrischen Zweig der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sieht, die seit Jahrzehnten gegen den türkischen Staat kämpft.
Die USA gehen mit den SDF derzeit gegen die letzten IS-Kämpfer vor, wollen aber auch nach dem Sieg über die Dschihadisten an dem Bündnis festhalten und mit der SDF eine "Grenzschutztruppe" aufbauen. Dies stößt nicht nur in Damaskus, sondern auch in Ankara auf scharfe Kritik, da die Türkei eine weitere Stärkung der syrischen Kurden verhindern will.
Die türkische Armee geht seit Januar gegen YPG-Kämpfer in der nordwestlichen Region Afrin vor. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Donnerstag, das bisherige Vorgehen in Afrin sei nur eine "Aufwärmübung", in den kommenden Tagen werde es "weitere Schritte" geben. Er hatte schon wiederholt gedroht, die Offensive auch auf die Stadt Manbidsch auszudehnen.
Anders als in Afrin sind in der nordsyrischen Stadt US-Soldaten zur Unterstützung der SDF-Einheiten stationiert. Ein türkischer Angriff könnte damit zu einer direkten Konfrontation zwischen den Nato-Partnern führen. Um dies zu vermeiden, werden kommende Woche US-Außenminister Rex Tillerson und Sicherheitsberater H.R. McMaster zu Gesprächen in die Türkei reisen.
Ankara teilte am Donnerstag zudem mit, dass Erdogan bei einem Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin vereinbart habe, dass sie demnächst in Istanbul mit dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani zu einem Dreiergipfel zusammenkämen. Die drei Länder setzen sich seit Anfang 2017 für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts ein.
Die Regierungstruppen verstärkten jedoch zuletzt ihre Angriffe auf die Rebellen. Laut der Beobachtungsstelle wurden auch am Donnerstag bei Luftangriffen auf die Rebellenhochburg Ost-Ghuta 36 Zivilisten getötet. In den drei Tagen zuvor waren in der Region bei Damaskus bereits rund 150 Zivilisten beim Bombardement der Regierungstruppen getötet worden.
Der UN-Sicherheitsrat wollte später am Donnerstag hinter geschlossenen Türen über die humanitäre Lage sprechen, nachdem die UN-Vertreter in Damaskus eine einmonatige Kampfpause gefordert hatten, um Hilfslieferungen zu erlauben. Allein in Ost-Ghuta leben rund 400.000 Menschen seit Jahren unter Belagerung, landesweit sind 13 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.
(O. Larsen--BTZ)