EU-Parlament fordert Ende des Ausnahmezustandes in der Türkei
Das Europaparlament hat die türkische Regierung aufgefordert, den nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ausgerufenen Ausnahmezustand sowie die seitdem verhängten Notstandsdekrete aufzuheben. Der gescheiterte Putschversuch diene derzeit "als Vorwand, um die legitime und friedliche Opposition zu knebeln", kritisierte das Straßburger Parlament am Donnerstag in einer Entschließung. Zugleich würden Medien und die Zivilgesellschaft an der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung gehindert.
Hunderte von Menschen seien derzeit in Haft, nur weil sie Kritik an der Regierung unter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geübt hätten, stellte das Parlament fest. Unter ihnen seien Akademiker, Journalisten wie der deutsch-türkische "Welt"-Reporter Deniz Yücel sowie Menschenrechtsaktivisten wie der Vorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic. Zudem seien 449 Menschen festgenommen worden, nachdem sie sich in sozialen Netzwerken kritisch zur jüngsten türkischen Militäroffensive im syrischen Afrin geäußert hätten.
Seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 seien mehr als 107.000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen worden - darunter viele Lehrer, Richter und Professoren, heißt es in dem Text weiter. Außerdem seien 160 Rundfunksender, Zeitungen und andere Medien geschlossen worden.
Zwar habe die Türkei auf Drängen des Europarats vor einem Jahr eine "Untersuchungskommission zu Notstandsverfahren" eingerichtet. Bei diesem Gremium seien bis Mitte Januar fast 105.000 Beschwerden eingegangen. Bisher seien aber erst in 3110 Fällen Entscheidungen getroffen worden - die zudem nicht veröffentlicht worden seien.
Unter Hinweis auf diese Beschwerdestelle lehnt es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bisher ab, Klagen zu prüfen, die Türken im Zusammenhang mit den Notstandsgesetzen eingereicht haben. Die Straßburger Richter verweisen darauf, dass laut Europäischer Menschenrechtskonvention zuerst der nationale Rechtsweg ausgeschöpft werden muss. Daher müssten türkische Bürger zunächst eine Entscheidung dieser Beschwerdestelle abwarten. Mit diesem Argument hatte der Straßburger Gerichtshof im vergangenen Jahr Tausende von Beschwerden gegen die Türkei für unzulässig erklärt.
(M. Tschebyachkinchoy--BTZ)