Berlin: Regierungsprogramm einer "GroKo" nimmt Gestalt an
Das Regierungsprogramm einer möglichen großen Koalition nimmt immer deutlicher Gestalt an. An den Anfang des Koalitionsvertrags wollen Union und SPD das Thema Europa stellen, wie aus einem BERLINER TAGESZEITUNG vorliegenden Entwurf hervorgeht. Doch offiziell besiegelt war das Dokument noch nicht, die Beratungen in der CDU-Parteizentrale in Berlin zogen sich am Dienstag hin.
Gegen 16.00 Uhr trafen die Mitglieder der rund 90-köpfigen Verhandlungsrunde, die eine Einigung abschließend beraten soll, im Konrad-Adenauer-Haus der CDU ein. Mehrere Teilnehmer äußerten die Erwartung, dass in den kommenden Stunden mit einem erfolgreichen Abschluss zu rechnen sei. Sie sei grundsätzlich optimistisch, sagte die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner. "Wie es kommen wird, werden wir sehen." Einigungen bei den umstrittenen Themen Gesundheit und Arbeitsmarkt wurden bis zum Nachmittag nicht bekannt. Unklar war auch, wann die große Runde zu einer abschließenden Beratung zusammentreten könnte, um eine Vereinbarung zu bewerten.
Der Entwurf des Koalitionsvertrags mit dem Stand von Montagmittag umfasst 167 Seiten. Nach dem ersten Kapitel unter der Überschrift "Ein neuer Aufbruch für Europa" wollen Union und SPD ein Kapitel mit dem Titel "Eine neue Dynamik für Deutschland" stellen.
"Die Europäische Union ist ein historisch einzigartiges Friedens- und Erfolgsprojekt und muss es auch künftig bleiben", beginnt das Europa-Kapitel. "Sie verbindet wirtschaftliche Integration und Wohlstand mit Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit." Deutschland habe Europa "unendlich viel" zu verdanken. "Auch deshalb sind wir seinem Erfolg verpflichtet. Für Deutschland ist ein starkes und geeintes Europa der beste Garant für eine gute Zukunft in Frieden, Freiheit und Wohlstand", heißt es in dem Entwurf.
Den EU-Beitrittsprozess mit der Türkei wollen Union und SPD derzeit nicht vorantreiben. "Die Lage der Demokratie, von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten" in der Türkei habe sich "seit längerem verschlechtert", schreiben Union und SPD. "Deshalb wollen wir bei den Beitrittsverhandlungen keine Kapitel schließen und keine neuen öffnen."
Die von Union und SPD geplante Rentenkommission soll ihre Vorschläge für eine Rentenreform bis März 2020 vorlegen. Die Kommission solle sich "mit den Herausforderungen der nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der beiden weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 befassen", heißt es in dem Entwurf des Koalitionsvertrags.
Zu Beginn der finalen Verhandlungsrunde am Dienstagmorgen riefen sich die Verhandlungspartner gegenseitig zur Kompromissbereitschaft auf. "Ich glaube, dass wir heute den Tag der Entscheidung darüber haben werden, ob die drei Parteien CDU, CSU und SPD einen gemeinsamen Koalitionsvertrag abschließen, auf dessen Grundlage eine stabile Regierung für die Bundesrepublik Deutschland gebildet werden kann", sagte SPD-Chef Martin Schulz.
"Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen", forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie sei dazu auch bereit, "wenn wir sicherstellen können, dass die Vorteile zum Schluss die Nachteile überwiegen". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangte: "Alle sind jetzt gefordert, sich aus ihren Schützengräben rauszubewegen. Eingraben geht jetzt nicht mehr."
(N. Nilsson--BTZ)