Wochenende der Entscheidung in "GroKo"-Verhandlungen
Bei den Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition haben CDU, CSU und SPD das Wochenende der Entscheidung begonnen. Am Freitag kam im Willy-Brandt-Haus in Berlin erstmals die große Runde der mehr als 90 Unterhändler der drei Parteien zusammen. In vielen Arbeitsgruppen herrscht bereits Einigkeit, vor dem Treffen in der SPD-Zentrale verwies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings auf eine "ganze Reihe sehr ernster Dissenspunkte".
Auch SPD-Chef Martin Schulz erklärte, es gebe "noch eine Menge an Verhandlungsbedarf in den unterschiedlichsten Bereichen". CSU-Chef Horst Seehofer ging mit demonstrativer Zuversicht in die entscheidende Phase. "Ich bin sehr guter Dinge", sagte er bei seiner Ankunft an der SPD-Zentrale. "Ich denke, wir schaffen das die nächsten Tage." Zu den Streitpunkten gehört die von den Sozialdemokraten geforderte Abschaffung sachgrundloser Befristungen. Außerdem will die SPD mit der Angleichung der Arzthonorare für Kassen- und Privatpatienten sowie einer Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte den Einstieg in ihr Konzept einer Bürgerversicherung durchsetzen.
Größeren Klärungsbedarf gibt es offenbar auch noch in der Arbeitsgruppe "Wohnungsbau, Mieten, Stadtentwicklung", die Medieninformationen in der Nacht zum Freitag ihre Gespräche ergebnislos abgebrochen hatte. Die Arbeitsgruppe befasst sich unter anderem mit der Frage, wie Mieten in Deutschland bezahlbarer werden.
Beim Zukunftsthema Digitalisierung, dem Union und SPD in einem Koalitionsvertrag einen herausgehobenen Stellenwert beimessen wollen, hakt es bei den Ressortzuständigkeiten. Digitalisierungsfragen betreffen gleich mehrere Fachbereiche.
Nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG" soll auf die Alleinzuständigkeit eines Ministeriums verzichtet werden. Die Koordination des Themas "liegt beim Bundeskanzleramt und einem von der SPD zu besetzenden Ressort", zitierte die Zeitung aus einem Entwurfspapier der Arbeitsgruppe "Digitales" .
Bis zum Sonntag werden die offenen Fragen in unterschiedlichen Runden auf einer Klausurtagung beraten. Bei ganz heiklen Punkten sind am Ende die Parteichefs Merkel, Schulz und Seehofer gefragt. Sollte es bei den Verhandlungen am Wochenende keinen Durchbruch geben, sind Montag und Dienstag als Reservetage vorgemerkt.
Seehofer bekräftigte das Ziel, die Gespräche bis Sonntag abzuschließen. "Ich sehe keinen Anlass, davon auszugehen, dass wir länger bräuchten", sagte er. Schulz machte dagegen deutlich: "Wir stehen unter keinem Zeitdruck." Es gehe nun darum, dass wir "seriös und sehr detailliert über die letzten Punkte" reden müssen, die zu einem Koalitionsvertrag führen könnten. Zugleich hob Schulz die "guten Ergebnisse" der letzten Tage in den Bereichen Europa, Pflege und Rente sowie die "Leuchtturmpolitik" in der Bildung hervor, auf die sich die Unterhändler am Donnerstagabend verständigt hatten. Union und SPD wollen in dieser Legislaturperiode fast zehn Milliarden Euro mehr für Bildung ausgeben - unter anderem für den Ausbau von Ganztagsschulen und die digitale Ausstattung der Klassenzimmer. Eine Grundgesetzänderung soll dem Bund die Schulfinanzierung in den Ländern ermöglichen.
Seehofer sagte, dass er für eine neue Bundesregierung finanzielle Spielräume über die im Sondierungspapier festgehaltenen 46 Milliarden Euro hinaus sieht. Der Finanzrahmen werde "in der Realität größer sein", sagte er angesichts zu erwartender Steuermehreinnahmen dank der guten Konjunktur. Ähnlich hatte sich am Donnerstag Merkel geäußert. Wie die Kanzlerin erklärte auch der CSU-Chef Investitionen in die Digitalisierung zu einer Priorität für zusätzliche Ausgaben.
(D. Meier--BTZ)