Steuereinnahmen brechen im Zeitraum bis 2024 massiv ein
Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen fallen im laufenden Jahr um voraussichtlich 98,6 Milliarden Euro niedriger aus als bisher erwartet. Das geht aus der Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzungen hervor, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Bis 2024 wird demnach im Vergleich zur November-Schätzung sogar ein Einnahmeminus von insgesamt 315,9 Milliarden Euro erwartet.
Im laufenden Jahr muss der Bund vorwiegend aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise ein Minus von 44 Milliarden Euro verkraften, wovon aber ein Teil schon im Nachtragshaushalt vom März berücksichtigt ist. Bei den Ländern beträgt das Minus 35 Milliarden Euro, weitere 15,6 Milliarden Euro entfallen auf die Kommunen und vier Milliarden Euro auf die EU-Abführungen.
Auch in den folgenden Jahren muss der Bund den größten Teil der Einnahmeverluste hinnehmen. Sie summieren sich 2020 bis 2024 auf 171,1 Milliarden Euro. Für die Länder beträgt das Minus im Gesamtzeitraum 95,5 Milliarden Euro, für die Kommunen 45,7 Milliarden Euro
Allerdings entfällt in den Jahren ab 2021 nur ein Teil der Einnahmeausfälle auf Schätzabweichungen im Vergleich zur Steuerschätzung vom November. Ein beträchtlicher Anteil geht dann für den Bund auf bereits einkalkulierte neue Gesetze zurück, darunter den weitgehenden Abbau des Solidaritätszuschlags und andere Steuersenkungen.
Scholz sagte, das Schätzergebnis sei "ungefähr im Rahmen dessen, was wir für uns angenommen haben". Die Schätzung sei diesmal so schwierig gewesen wie wohl noch nie. Es hätten "sehr viele Unsicherheiten" und "sehr viele Variablen" berücksichtigt werden müssen.
Zugleich handele es sich nur um eine "Momentaufnahme", betonte Scholz. Denn den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie könne niemand seriös vorhersagen. "Das ist eine Naturkatastrophe." Daher werde es im September eine zusätzliche, außerplanmäßige Steuerschätzung geben.
Normalerweise werden die Steuereinnahmen jeweils im Mai und im November geschätzt. Die bisherigen "haushaltswirksamen Ausgaben" von Bund Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in der Corona-Krise bezifferte Scholz auf 335 Milliarden Euro.
Nachdrücklich wandte sich Scholz dagegen, wegen der Ebbe in der Steuerkasse geplante Ausgaben zu streichen. "Das wäre ein schwerer Fehler", man könne nicht "gegen die Krise ansparen", sagte der Minister. Er bezog dies ausdrücklich auch auf die geplante Grundrente, zumal diese nur gut eine Milliarde Euro koste.
Vielmehr warb Scholz sogar für zusätzliche Entlastungen, insbesondere für die Gemeinden, "die den größten Teil der öffentlichen Investitionen tätigen". Daher wolle er auch an der geplanten Altschulden-Entlastung für hochverschuldete Kommunen festhalten.
Scholz bekräftigte zudem die Pläne für ein Konjunkturpaket, das die Regierung Anfang Juni beschließen werde. Dieses Maßnahmenbündel solle "neuen Schwung und neues Wachstum" bringen. Allerdings müssten die Maßnahmen "zielgerichtet sein" und möglichst auch "die Modernisierung unserer Volkswirtschaft" voranbringen, sagte er mit Blick auf Digitalisierung und Klimaschutz.
Rückendeckung erhielt Scholz von den Grünen: "Es würde uns mehr kosten, wenn wir nicht handeln oder, schlimmer noch, in der Krise sparen", erklärten Anja Hajduk und Sven-Christian Kindler. Sie drangen aber auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen.
Der FDP-Haushälter Karsten Klein verlangte "ein Ausgabenmoratorium für konsumptive, nicht krisenbedingte Ausgaben". AfD-Chef Jörg Meuthen sagte der Nachrichtenagentur AFP, mit ihrem "Corona-Shutdown" habe die Regierung "der Wirtschaft schwer geschadet".
(Y. Rousseau--BTZ)