EU-Abgeordnete warnen vor zu hohen Erwartungen an Corona-Apps
Abgeordnete des EU-Parlaments haben vor zu hohen Erwartungen an Handy-Apps gegen die Corona-Pandemie gewarnt. "Nationale Regierungen präsentieren die Apps als Wunderwaffe gegen die Pandemie", sagte die liberale Abgeordnete Sophie Int Veld am Donnerstag in Brüssel. Aber das Dilemma, dass im Kampf gegen die Viruserkrankung der Schutz der Gesundheit und wirtschaftliche Interessen auf einen Nenner gebracht werden müssten, werde dadurch nicht gelöst.
Es gebe bislang keine Belege dafür, dass Apps zur Kontaktnachverfolgung die Krankheit eindämmen können, sagte auch die SPD-Politikerin Birgitt Sippel. "Dafür gibt es aber ernsthafte Bedenken", etwa beim Datenschutz. Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab sprach sich zwar für eine möglichst schnelle Einführung von Corona-Apps aus, das wichtigste sei aber dennoch zunächst "Abstandhalten und Händewaschen".
Die Idee sogenannter Tracing-Apps ist es, Kontaktpersonen im Nachhinein zu ermitteln, um Infektionsketten nachzuverfolgen. Wer positiv auf den Erreger getestet wurde, kann das auf seinem Handy angeben, damit anschließend Menschen informiert werden können, die sich in einem bestimmten Zeitraum in der Nähe des Infizierten aufgehalten haben. Viele Länder arbeiten an der Entwicklung solcher Anwendungen, einige sind bereits in Gebrauch.
Auch die EU-Kommission ist dafür, pocht aber auf enge Absprachen der EU-Länder. Brüssel hofft darauf, mit der grenzüberschreitenden Nutzung dieser Apps die Reisefreiheit in der EU schneller wiederherzustellen. Dafür müssten die verschiedenen nationalen Lösungen allerdings miteinander kompatibel sein. "Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig die Interoperabilität für die grenzüberschreitende Personenfreizügigkeit sein wird", betonte EU-Justizkommissar Didier Reynders im EU-Parlament.
Technisch ist dies allerdings kompliziert, insbesondere weil die Mitgliedstaaten auf verschiedene Ansätze bei der Speicherung der persönlichen Daten setzen. Frankreich etwa favorisiert eine zentrale Speicherung auf einem Server. Deutschland entschied sich letztlich für einen "dezentralen" Ansatz, bei dem die Daten nur auf den Mobilgeräten gespeichert werden.
Die Kommission vermied es bislang, explizit eine zentrale oder dezentrale Speicherung zu empfehlen. Aus Datenschutzsicht "ist der dezentrale Ansatz vorzuziehen", sagte Reynders nun. Beide technischen Lösungen seien aber mit EU-Datenschutzrecht vereinbar, vorausgesetzt die Verwendung der App sei freiwillig und zeitlich begrenzt und persönliche Daten würden anonymisiert und geschützt. Brüssel lehnt zudem die Verwendung von Standortdaten ab.
(S. Soerensen--BTZ)