Amnesty International: Türkischer Amnesty-Präsident weiter in Haft
Der Präsident der türkischen Sektion von Amnesty International muss nun doch im Gefängnis bleiben. Die selbe Istanbuler Gerichtskammer, die am Vortag die Freilassung von Taner Kilic angeordnet hatte, entschied am Donnerstag, dass er weiter in Untersuchungshaft bleiben müsse, wie die Menschenrechtsorganisation mitteilte. Die Entscheidung stieß bei Amnesty auf scharfe Kritik.
"In den vergangenen 24 Stunden haben wir eine Travestie der Justiz in spektakulärem Ausmaß erlebt", erklärte Amnestys Generalsekretär Salil Shetty. Der Prozess sei "das jüngste Beispiel der Krise des türkischen Justizsystems, das Leben ruiniert und das Recht auf einen fairen Prozess aushöhlt." Für Kilic, seine Frau und seine Töchter sei die Gerichtsentscheidung eine vernichtende Neuigkeit. Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwochabend Einspruch eingelegt, nachdem eine Istanbuler Gerichtskammer überraschend entschieden hatte, Kilic unter Auflagen freizulassen. Eine zweite Gerichtskammer entschied daraufhin am Donnerstagmorgen, den Einspruch zuzulassen, und verwies den Fall erneut an die selbe Gerichtskammer zurück, die seine Freilassung angeordnet hatte.
Diese Kammer kam laut dem Amnesty-Experten Andrew Gardner zu dem Schluss, dass Kilic weiter in Untersuchungshaft bleiben müsse. "Was (oder wer) hat sie dazu bewogen?" schrieb Gardner auf Twitter. "Dies ist vernichtend für Taners Familie und eine Schande für die Justiz." Er hatte den Prozess zuvor als Versuch gewertet, die Menschenrechtsaktivisten zum Schweigen zu bringen.
Mehrere Amnesty-Kollegen waren nach der Entscheidung zur Freilassung von Kilic am Mittwoch nach Izmir geflogen, um mit seiner Familie bei seiner Freilassung aus dem Gefängnis dabei zu sein, wie Amnestys Europadirektorin Gauri van Gulik auf Twitter schrieb. Stattdessen wurde Kilic jedoch gegen Mitternacht vom Gefängnis in eine nahegelegene Polizeiwache gebracht.
Van Gulik teilte am Donnerstag mit, dass sie in Ankara mit Außenminister Mevlüt Cavusoglu über den Fall sprechen werde. Kilic war im Juni in Izmir unter dem Verdacht festgenommen worden, zur verbotenen Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu gehören, die für den Putschversuch von Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Amnesty wies die Vorwürfe als "unbegründet" zurück und warf der Staatsanwaltschaft vor, keine stichhaltigen Beweise vorgelegt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigte Kilic insbesondere, den verschlüsselten Kurzmitteilungsdienst ByLock verwendet zu haben, der von Gülen-Anhängern zur Kommunikation benutzt worden sein soll. Amnesty betrachtet ByLock aber nicht als ausreichenden Beweis für die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung und legte drei Gutachten vor, die zeigen sollen, dass Kilic die App niemals benutzt hat.
In dem Prozess gegen Kilic sind zehn weitere Menschenrechtsaktivisten angeklagt, darunter der Deutsche Peter Steudtner, der Schwede Ali Gharavi und die türkische Amnesty-Vorsitzende Idil Eser. Alle bis auf Kilic waren bei einer ersten Anhörung im Oktober freigelassen worden. Steudtner und Gharavi verließen daraufhin die Türkei, an dem Prozess nahmen sie seitdem nicht mehr teil.
Die zehn Mitangeklagten waren im Juli bei einem Workshop zu Stressbewältigung und Kommunikationssicherheit auf der Insel Büyükada bei Istanbul festgenommen worden. Auch ihnen wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
(F. Burkhard--BTZ)