Gabriel und Netanjahu uneins in Frage der Zwei-Staaten-Lösung
Beim Treffen von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sind Meinungsunterschiede über das weitere Vorgehen im Nahost-Konflikt sichtbar geworden. Netanjahu nutzte die gemeinsame Pressebegegnung am Mittwoch in Jerusalem, um Gabriel öffentlich in der Frage der Haltung Israels zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu korrigieren. Gabriel forderte Israel auf, klar zu machen, wie es sich eine Beilegung des Nahost-Konflikts vorstellt; die derzeitige Ungewissheit führe in Europa zu Frustration.
Gabriel legte bei seinem Besuch in Israel und den Palästinensergebieten ein klares Plädoyer für den Nahost-Friedensprozess ab. "Deutschland befürwortet sehr klar die Zwei-Staaten-Lösung von Israelis und Palästinensern", sagte er nach einem 40-minütigen Vier-Augen-Gespräch mit Netanjahu in Jerusalem. Als Gabriel auf der Pressekonferenz davon sprach, dass auch Israels Regierung eine Zwei-Staaten-Lösung mit sicheren israelischen Grenzen wolle, ging Netanjahu mit einer Klarstellung dazwischen. "Nein", sagte der Ministerpräsident. "Wir wollen die Sicherheit westlich des Jordan kontrollieren, das ist die primäre Bedingung."
Ein Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung - also zur Errichtung eines eigenen palästinensischen Staaten - vermied Netanjahu. "Ob man das nun als Staat definiert oder nicht, wenn wir die militärische Kontrolle ausüben, ist eine andere Frage, aber mir geht es weniger um Benennungen als um Substanz", sagte er.
Mit seinem Einwurf zu einer Kontrolle "westlich des Jordan" reklamierte Netanjahu de facto die Sicherheitsaufsicht über einen möglichen Palästinenserstaat im Westjordanland für Israel.
Nach dem Treffen mit Netanjahu äußerte Gabriel in einer Rede in Tel Aviv Zweifel an der derzeitigen Politik Israels im Konflikt mit den Palästinensern. Israel sende gemischte Signale aus, was in Europa zu wachsender Frustration führe, kritisierte er. Viele Menschen in Europa betrachteten die Behandlung der Palästinenser als unfair, was es immer schwerer mache, die Unterstützung für die israelische Regierung zu erklären. Als enger Freund und Verbündeter müsse Israel klarmachen, ob es weiter hinter einer Zwei-Staaten-Lösung stehe, forderte Gabriel.
Mehr Übereinstimmung in Sachen Nahost-Friedensprozess gab es bei Gabriels Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Ausdrücklich lobte der deutsche Außenminister, dass Abbas und die Palästinenser trotz aller Widrigkeiten an der Bereitschaft zur Aussöhnung festhielten.
Abbas bekräftigte dies, machte dabei aber auch die palästinensische Sichtweise deutlich: So müsse es ein Palästina "in den Grenzen von 1967 einschließlich Ost-Jerusalems" geben. Gabriel bedauerte, dass aus seiner Sicht "wir uns jeden Tag weiter vom Nahost-Friedensprozess entfernen".
Nach dem Streit zwischen Gabriel und Netanjahu im Vorjahr ging es bei dem Besuch des deutschen Ministers auch um eine Rückkehr zur diplomatischen Normalität. Im vergangenen April hatte Netanjahu bei Gabriels damaligem Besuch ein Treffen abgelehnt. Grund war Verärgerung darüber, dass dieser gegen Netanjahus Willen Vertreter regierungskritischer Nichtregierungsorganisationen getroffen hatte.
Dieses Kapitel wollten beide Seiten nun als erledigt betrachten. "Wir haben darüber nicht mehr gesprochen", sagte Gabriel. Vielmehr sei das Gespräch "stark außenpolitisch geprägt" gewesen. Auf Begegnungen mit der Zivilgesellschaft verzichtete er diesmal. Netanjahu sagte nur: "Es ist immer ein Vergnügen, ein Mitglied der deutschen Regierung zu treffen."
Formeller Anlass für Gabriels Besuchs war eine Konferenz des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, wo er zum Abschluss seiner Kurzvisite eine Rede zu aktuellen Herausforderungen für Europa und den Nahen Osten hielt. Zudem traf der Minister israelische Oppositionspolitiker.
(A. Walsh--BTZ)