Türkischer Amnesty-Präsident kommt vorerst aus dem Gefängnis frei
Der Präsident der türkischen Sektion von Amnesty International kann das Gefängnis vorerst verlassen. Ein Gericht in Istanbul entschied am Mittwoch, Taner Kiliç unter Auflagen auf freien Fuß zu setzen. Er war im vergangenen Juni unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden. Amnesty kritisierte unterdessen, dass die Anklage gegen Kilic aufrecht erhalten wird.
In dem Prozess gegen Kiliç sind zehn weitere Menschenrechtler angeklagt, darunter der Deutsche Peter Steudtner, der Schwede Ali Gharavi und die türkische Amnesty-Vorsitzende Idil Eser. Alle bis auf Kiliç waren bei einer ersten Anhörung im Oktober freigelassen worden. Steudtner und Gharavi verließen daraufhin die Türkei, am Mittwoch waren sie nicht im Gerichtssaal.
Kiliç wurde in dem Verfahren per Videoschaltung aus Izmir zugeschaltet. Nach der Entscheidung zur Freilassung brachen Freunde des Angeklagten und andere Menschenrechtsaktivisten, die zu dem Verfahren gekommen waren, in Tränen aus und umarmten einander. "Wir sind sehr glücklich, wir erleben eine Explosion der Gefühle, weil wir diese Entscheidung nicht erwartet haben", sagte die Bürgerrechtlerin Özlem Dalkiran von der Menschenrechtsgruppe Bürgerversammlung, die selbst angeklagt ist, aber im Oktober freigelassen wurde.
Der Prozess wurde auf den 21. Juni vertagt. Vor dem Urteil am Mittwoch hatten sich etwa 30 Aktivisten vor dem Istanbuler Gericht zu einer Demonstration versammelt. Sie entrollten Banner unter anderem mit der Aufschrift "Gerechtigkeit für Menschenrechts-Verteidiger".
Kiliç wird vorgeworfen, den verschlüsselten Kurzmitteilungsdienst ByLock verwendet zu haben, den Gülen-Anhänger zur Planung des Putschversuches von Juli 2016 benutzt haben sollen. Kiliç bestreitet dies. Seine Anwälte legten am Mittwoch ein drittes Gutachten vor, das zeigen soll, dass er die App nie auf seinem Smartphone gespeichert hatte.
Die zehn mitangeklagten Menschenrechtler, darunter der Deutsche Steudtner, waren im Juli bei einem Workshop zu Stressbewältigung und Kommunikationssicherheit auf der Insel Büyükada bei Istanbul festgenommen worden. Auch ihnen wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
Amnestys Europadirektorin Gauri van Gulik sagte, es sei eine "große Erleichterung", dass der Menschenrechtsanwalt nach fast acht Monaten im Gefängnis nun zu seiner Familie zurückkehren könne. Amnesty werde den Kampf jedoch fortsetzen, um einen Freispruch zu erreichen.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, erklärte in Berlin sein Bedauern darüber, dass die Anklage gegen Kiliç und die zehn anderen Aktivisten bestehen blieb. "Nach rechtsstaatlichen Prinzipien hätte heute die Anklage fallen gelassen werden müssen."
Seit dem gescheiterten Putsch vor anderthalb Jahren herrscht in der Türkei der Ausnahmezustand. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor dem Prozess erklärt, die Aktivisten hätten gegen die Regierung gearbeitet. Er stellte sie so in die Nähe der Urheber des Putschs. International stieß das Verfahren gegen die Menschenrechtler auf scharfe Kritik.
(A. Lefebvre--BTZ)