Streit zwischen Israel und Polen über Gesetz zu NS-Todeslagern
Ein polnisches Gesetz, das die fälschliche Bezeichnung der nationalsozialistischen Todeslager im Land als "polnisch" künftig unter Strafe stellen will, stößt in Israel auf scharfe Kritik. Die israelische Regierung befürchtet, das neue Gesetz könnte die polnischen Verbrechen an Juden während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg herunterspielen.
"Das Gesetz ist haltlos. Ich lehne es strikt ab", erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag, dem internationalen Holocaust-Gedenktag. "Man kann die Geschichte nicht ändern, und der Holocaust kann nicht geleugnet werden".
Ein Vertreter des israelischen Außenministeriums sagte gegenüber BERLINER TAGESZEITUNG, das polnische Gesetz sei ein "Versuch, die Geschichte zu verfälschen". Das Ministerium berief für Sonntag den polnischen Geschäftsträger ein.
Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem befürchtet, das Gesetz könnte "zur Verschleierung der historischen Wahrheit führen", dass die Nazis während der Judenvernichtung Unterstützung von der polnischen Bevölkerung erhielten. Yad Vashem fügte aber gleichzeitig hinzu, es bestehe kein Zweifel daran, "dass der Begriff polnische Todeslager eine Verfälschung der Geschichte darstellt".
Nach dem am Freitag vom Parlament in Warschau verabschiedeten Gesetz droht künftig jedem eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu drei Jahren, der die Todeslager der Nazis im besetzen Polen fälschlicherweise als "polnische Lager" bezeichnet. Das Gesetz soll für polnische Bürger ebenso wie für Ausländer gelten. Es gilt als sicher, dass es auch den Senat passieren wird, bevor es es der Präsident mit seiner Unterschrift in Kraft setzt.
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wies den Vorwurf der Geschichtsklitterung am Samstagabend entschieden zurück. "Auschwitz-Birkenau ist kein polnischer Name, und Arbeit macht Frei kein polnischer Spruch", erklärte er auf Twitter in Anspielung auf die zynischen Worte, die die Nazis über dem Tor des Stammlagers von Auschwitz angebracht hatten.
Auschwitz sei die bittere Lektion, wie "üble Ideologien zur Hölle auf Erden führen können", erklärte Morawiecki weiter. "Juden, Polen und alle Opfer sollten die Erinnerung an alle wachhalten, die von den deutschen Nazis ermordet wurden". Zuvor hatte der polnische Regierungschef in der Gedenkstätte des ehemaligen Todeslagers an der Gedenkfeier zum 73. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee teilgenommen.
In einer scharfen Reaktion auf die polnische Initiative wies unterdessen Israels Bildungsminister Naftali Bennett alle Schulen an, zwei Stunden pro Woche über die Beteiligung europäischer Nationen am Holocaust zu sprechen.
Es sei eine historische Tatsache, dass die "Arbeits- und Todeslager in Polen von den Deutschen geplant und gebaut wurden", doch es sei auch "eine historische Tatsache, dass viele Polen bei der Ermordung von Juden halfen, sie auslieferten, misshandelten und sie sogar während und nach dem Holocaust töteten", sagte der Vorsitzende der nationalreligiösen Koalitionspartei Jüdisches Heim. "Diese Tatsachen müssen der künftigen Generation beigebracht werden".
(Y. Rousseau--BTZ)