Elf Tote bei offenbar fremdenfeindlich motiviertem Gewaltverbrechen in Hanau
Bei einem offenbar fremdenfeindlich motivierten Gewaltverbrechen in Hanau sind zehn Menschen und der mutmaßliche Täter ums Leben gekommen. Der Tatverdächtige soll am Mittwochabend in zwei Shisha-Bars neun Menschen erschossen haben. Den 43-jährigen Deutschen und seine 72 Jahre alte Mutter fanden die Ermittler danach tot in seiner Wohnung. Die Bundesanwaltschaft zog die Ermittlungen an sich, weil es "Anhaltspunkte für eine fremdenfeindliche Motivation" gebe.
Die Bundesanwaltschaft habe die Ermittlungen noch in der Nacht wegen der "besonderen Bedeutung des Falls" übernommen, sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde am Donnerstag. Genauere Angaben machte er zunächst nicht. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte, die Bundesanwaltschaft habe den "Verdacht einer terroristischen Gewalttat". Auch er verwies darauf, dass die Ermittlungen auf ein "fremdenfeindliches Motiv" hindeuteten.
Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich laut Beuth um einen 43-jährigen Deutschen aus Hanau. Er war demnach weder dem Verfassungsschutz noch der Polizei bekannt. Nach seiner Erkenntnis sei der Verdächtige Sportschütze gewesen und habe legal Waffen besessen, sagte der hessische Innenminister.
Durch die Schüsse am Mittwochabend waren weitere Menschen verletzt worden. Genaue Angaben zur Zahl der Verletzten machten die Ermittler zunächst nicht. Innenminister Beuth sprach von einem Schwerverletzten.
Zur Identität der Opfer in den Shisha-Bars machten die Behörden ebenfalls keine Angaben. Unter den Toten befanden sich nach Angaben eines Dachverbands kurdischer Gemeinschaften in Deutschland mehrere Menschen kurdischer Herkunft.
Die genauen Hintergründe des Verbrechens waren zunächst noch unklar. Die Polizei fand ein Bekennerschreiben und ein Video, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlungskreisen erfuhr. Hessens Innenminister Beuth sagte, die Internetseite des Verdächtigen werde ausgewertet. Daraus ergebe sich ein mutmaßlich fremdenfeindliches Motiv. Medienberichten zufolge äußerte der mutmaßliche Täter Verschwörungstheorien und teils rechtsradikale Ansichten.
Die Bluttat löste in Deutschland und auch international Entsetzen aus. "Die Gedanken sind heute morgen bei den Menschen in Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte einen geplanten Besuch in Halle in Sachsen-Anhalt ab. Sie will sich am Mittag zu der Tat äußern. Im Laufe des Tages wird zudem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Hanau erwartet.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schrieb auf Twitter, sie sei "fassungslos und traurig über die brutale Gewalttat". "Gewalt aus rechtsextremen Motiven darf uns nicht ruhen lassen, wir müssen dagegen zusammenstehen", schrieb Kramp-Karrenbauer.
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken und weitere führende Politiker der Sozialdemokraten sprachen von rechtem Terror. "Viel zu lange haben wir uns davor gescheut, es mit klaren Worten zu benennen: Rechter Terror in Deutschland", kritisierte Esken. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von "schrecklichen Ereignissen" und einer "grausamen Nacht". EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete die Ereignisse auf Twitter als "Tragödie" und beklagte einen "sinnlosen Verlust von Menschenleben".
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, dieser Tag sei "furchtbar". Die Tat mache "im Grunde sprachlos". Alle Bürger in Hessen seien "entsetzt". Der hessische Landtag brach nach einer Schweigeminute die Plenardebatte ab. Es sei "nicht angemessen", nach den Geschehnissen einfach die parlamentarische Arbeit fortzusetzen, sagte der Ministerpräsident. An öffentlichen Gebäuden in Hessen wurde Trauerbeflaggung angeordnet.
(T. Jones--BTZ)