Deutschland: Fahrplan für die Regierungsbildung ist weiter offen
Nach dem SPD-Parteitagsbeschluss für Koalitionsverhandlungen mit der Union ist weiter offen, wann eine neue Regierung im Amt sein könnte. Auch nach einem Treffen der Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) war der Zeitplan für die Gespräche am Dienstag weiterhin nicht offiziell bekannt. Während die Union die Verhandlungen schnell abschließen will, lassen die Sozialdemokraten sich nicht drängen.
"Wir sollten in zwei bis drei Wochen mit den Verhandlungen fertig sein", forderte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Es sei grundsätzlich richtig, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehe, aber das Tempo zähle inzwischen auch. "Die Bürger sind des Wartens müde." Inzwischen ist Deutschland so lange wie noch nie seit einer Bundestagswahl ohne neue Regierung. Ein SPD-Sonderparteitag hatte am Sonntag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen gegeben. Am Montagabend kamen Kanzlerin Merkel, Schulz und Seehofer zu einem ersten Vorbereitungstreffen zusammen.
Am Dienstag waren interne Vorbereitungsgespräche von CDU und CSU angesetzt, die SPD plant am Donnerstag parteiinterne Beratungen. Danach könnte der Zeitplan für die Koalitionsverhandlungen stehen.
Die Union würde am liebsten noch in dieser Woche mit den Verhandlungen starten, als Zieldatum werden die Tage um Karneval Mitte Februar genannt. Schulz hat es aber offenbar nicht eilig. Die SPD wolle "jetzt erstmal in dieser Woche beraten", auf welcher Grundlage und mit welchem Team sie in die Verhandlungen gehe, hatte er am Montag gesagt.
CDU-Vize Thomas Strobl forderte: "Das ambitionierte Ziel muss sein, möglichst noch im Februar, spätestens Anfang März fertig zu sein." Deutschland brauche "so schnell als möglich" eine stabile und vollständig handlungsfähige Bundesregierung, sagte Strobl nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG - vom Dienstag.
Offen ist, inwiefern die SPD-Spitze den Auftrag des Parteitags umsetzen kann, in den Koalitionsgesprächen noch Änderungen des Sondierungsergebnisses in der Gesundheitspolitik, beim Familiennachzug für Flüchtlinge sowie bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen durchzusetzen.
Die Union lehnt dies ab. "Wenn wir mit Nachkarten anfangen, könnte man das Sondierungspapier auch gleich weglegen und wieder bei Null anfangen", sagte Strobl.
In der SPD sorgt das knappe Votum auf dem Parteitag von nur 56 Prozent für Verhandlungen über eine große Koalition weiter für Diskussionen, die auch Parteichef Schulz betreffen. Das SPD-Vorstandsmitglied Matthias Miersch wies in der ARD Forderungen aus den eigenen Reihen zurück, dass Schulz bei einer Neuauflage der großen Koalition auf ein Ministeramt verzichten sollte. Der designierte thüringische SPD-Chef Wolfgang Tiefensee hatte Schulz zum Verzicht auf ein Ministeramt aufgefordert.
Nach dem Parteitag verzeichnen die Sozialdemokraten eine Eintrittswelle - die jedoch nicht von einem Zuspruch zu einer großen Koalition zeugen muss. Die "GroKo"-kritischen Jusos hatten zu Parteieintritten aufgerufen, um beim geplanten Mitgliederentscheid der Sozialdemokraten ein erneutes Bündnis von Union und SPD zu verhindern.
Eine Umfrage unter SPD-Landesverbänden ergab am Dienstag, dass seit Sonntag mehr als 1500 Menschen einen Mitgliedsantrag gestellt haben. Allerdings lässt sich nicht feststellen, wie viele der Neumitglieder eine Fortsetzung der großen Koalition ablehnen.
(L. Pchartschoy--BTZ)