SPD will vor Koalitionsverhandlungen erst einmal intern beraten
Nach dem knappen SPD-Parteitagsvotum für Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU ist der tatsächliche Verhandlungsbeginn noch offen. Die SPD werde "jetzt erstmal in dieser Woche beraten", wie sie in die Verhandlungen gehe, "auf welcher Grundlage, in welcher strukturellen und auch in welcher personellen Zusammensetzung", sagte Parteichef Martin Schulz am Montag in Berlin. Allerdings soll es noch am Montagabend ein Spitzengespräch der drei Parteichefs geben.
Schulz versicherte auch nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Morgen, dass die SPD darauf achten werde, "dass die Zeiträume, die wir jetzt in Angriff nehmen, nicht zu lang werden". An dem abendlichen Gespräch sollten neben Schulz Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer teilnehmen. Zuvor waren interne Besprechungen führender Unionspolitiker geplant. Ein SPD-Sonderparteitag in Bonn hatte sich am Sonntag mit 56 Prozent für Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition ausgesprochen. Zugleich meldeten die Sozialdemokraten aber bei der Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen, einer Angleichung von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen und einer Härtefallregelung für Flüchtlinge mit eingeschränktem subsidiärem Schutz Nachbesserungsbedarf an den vorliegenden Sondierungsergebnissen an.
Schulz machte deutlich, dass seine Partei "intensive und harte Verhandlungen" führen werde. Die "Interpretation von einigen Teilen der Union", das Sondierungsergebnis sei bereits das Endergebnis, wies er zurück. "Wir werden über alle Themen, die wir während der Sondierungen angesprochen haben, jetzt erneut reden", sagte der SPD-Chef.
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sicherte am Rande eines Termins in Brüssel zu: "Wir werden konstruktiv verhandeln." Auch äußerte er sich "erleichtert" über die SPD-Entscheidung für Koalitionsverhandlungen.
Kritik an den Korrekturforderungen der SPD übte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Man kann jetzt nicht das, was besprochen worden ist, wieder in Frage stellen", sagt er am Montag nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG - in einem aktuellen Interview. Auch CDU-Vize Julia Klöckner sagte der ARD, in den Koalitionsverhandlungen könnten keine Punkte erneut zur Sprache kommen, die in den Sondierungsgesprächen bereits abgelehnt wurden.
"Die ersten Sondierungen waren ein Abtasten. Jetzt kommen die Koalitionsverhandlungen", widersprach SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Unions-These von einem abschließenden Charakter der Sondierungsergebnisse. "Die Union muss wissen, dass sie sich bewegen muss", sagte auch SPD-Vize Ralf Stegner nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interview vom Montag. Am Ende werde es eine Zustimmung der SPD-Mitglieder nur geben, "wenn das Gesamtpaket stimmt".
Auf eine zügige Aufnahme von Verhandlungen drängte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Alle spürten, "dass die Menschen in Deutschland erwarten, dass jetzt mehr als vier Monate nach der Bundestagswahl wieder eine Regierung zustande kommt", sagte er am Rande eines Besuchs in Hamburg.
Die Jusos, die auf dem SPD-Parteitag für ein Nein zu Koalitionsverhandlungen geworben hatten, wollen den Widerstand gegen eine neue große Koalition fortsetzen. "Ich glaube, dass wir das schaffen können", sagte ihr Vorsitzender Kevin Kühnert nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, am Montag mit Blick auf die abschließend geplante SPD-Mitgliederbefragung. Die Jusos wollen dafür auch "GroKo"-Gegner als neue Parteimitglieder werben.
(O. Karlsson--BTZ)