Bonn: Weg für Koalitionsverhandlungen von Union und SPD frei
Union und SPD verhandeln über die Bildung einer erneuten großen Koalition. Ein SPD-Sonderparteitag stimmte am Sonntag in Bonn mit knapper Mehrheit dafür, Verhandlungen mit CDU und CSU aufzunehmen. Allerdings fordern die Sozialdemokraten Nachbesserungen am Sondierungsergebnis von Union und SPD. Führende Unionspolitiker pochten darauf, an Kernpunkten der Sondierungen nicht zu rütteln.
Auf dem SPD-Sonderparteitag stimmten 56 Prozent der Delegierten für den Antrag der Parteispitze um SPD-Chef Martin Schulz. 362 Delegierte stimmten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, 279 dagegen. Es gab eine Enthaltung. Direkt vor der Abstimmung richtete Schulz noch einmal einen eindringlichen Appell an den Parteitag. Dies sei ein "Schlüsselmoment in der jüngeren Geschichte unserer Partei", die Alternative zu weiteren Verhandlungen seien Neuwahlen. "Man muss nicht um jeden Preis regieren, aber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen", sagte der SPD-Chef.
Nach der Abstimmung zeigte sich Schulz erleichtert. Das Ergebnis zeige aber auch, dass "hart gerungen" werden musste, sagte der SPD-Chef im Fernsehsender Phoenix. Er kündigte harte Koalitionsverhandlungen an. "Sondierungen haben den Charakter, auszuloten, ob man überhaupt verhandeln kann", sagte Schulz. "Die Unionsparteien werden sich darauf einstellen müssen, dass die Koalitionsverhandlungen genau so hart werden wie die Sondierungen."
Der vom SPD-Parteitag angenommene Beschluss enthält die Forderung nach Nachbesserungen in zentralen Themenfeldern der bisher erreichten Sondierungsergebnisse. Für ihn sei klar, "dass wir bei der sachgrundlosen Befristung und der Zwei-Klassen-Medizin weiterverhandeln werden", sagte Schulz vor der Abstimmung. Ebenso klar sei beim Familiennachzug von Flüchtlingen, "dass wir bei der Härtefallregelung nicht nachgeben werden". Diese drei Punkte hatte die Parteiführung auf Druck vor allem des einflussreichen NRW-Landesverbands der SPD in ihren Leitantrag aufgenommen.
In der Debatte auf dem SPD-Parteitag waren Befürworter und Gegner der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen hart aufeinandergeprallt. Während vor allem Mitglieder des Parteivorstands sowie SPD-Regierungsmitglieder für den Weg in Richtung einer Regierungsbeteiligung warben, stellten sich überwiegend jüngere Delegierte dagegen.
Juso-Chef Kevin Kühnert bekräftigte sein Nein zu einer neuen "Groko". Der neu formulierte Antrag sei ein "ehrenwerter Versuch", die SPD brauche aber eine Brücke aus "Erneuerung und Vertrauensbeweisen" und "nicht aus weiteren Spiegelstrichen". Nach dem Votum für Koalitionsverhandlungen kündigte Kühnert weiteren Widerstand gegen eine Neuauflage der großen Koalition an. Über einen möglichen Koalitionsvertrag stimmt am Ende die SPD-Parteibasis ab.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte, dass nach dem Votum der SPD nun der Weg für Verhandlungen frei sei. Die CDU-Vorsitzende sprach sich dafür aus, dass die Gespräche mit den Sozialdemokraten jetzt "sehr schnell aufgenommen" werden sollten. Die Unionsparteien wollten am Montag gemeinsam ihren "Verhandlungspfad" festlegen. Wann dann die Koalitionsverhandlungen starten können, sagte Merkel nicht. Die Kanzlerin hob hervor, das Sondierungspapier von Union und SPD sei "dabei der Rahmen", in dem verhandelt werde."Dabei wird es natürlich eine Vielzahl von Fragen noch zu klären geben im Detail", fügte Merkel hinzu. "Und das wird auch sicherlich nochmal intensive Beratungen erfordern."
Führende Unionspolitiker pochten allerdings auf die zentralen Eckpunkte des Sondierungspapiers. "Das Ergebnis der Sondierungsgespräche gilt - die Kernpunkte dürfen nicht mehr infrage gestellt werden", erklärte CDU-Vize Volker Bouffier. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner mahnte, sie denke, den SPD-Kollegen sei klar geworden, "dass es zum Sondierungspapier, das einstimmig angenommen wurde, keine Nachverhandlungen geben kann".
(L. Brown--BTZ)