Türkische Bodentruppen rücken in syrischer Kurden-Region Afrin vor
Im Zuge von Ankaras Armeeoffensive auf die Kurden-Enklave Afrin im Nordwesten Syriens sind am Sonntag türkische Bodentruppen in der Region vorgerückt. Zugleich gingen die türkischen Luft- und Artillerieangriffe weiter, wie Ministerpräsident Binali Yildirim mitteilte. Staatschef Recep Tayyip Erdogan äußerte in einer Rede die Hoffnung auf ein rasches Ende des Militäreinsatzes gegen die Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG).
Am Samstag hatte Erdogan den Beginn der Boden- und Luftoffensive namens "Operation Olivenzweig" gegen die mit den USA verbündeten YPG verkündet. Nach Afrin werde es im weiter östlich gelegenen Manbidsch weitergehen. Die Türkei werde keinen "Terror-Korridor" an der Grenze dulden. Ankara sieht in der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem bewaffneten Arm YPG Terrororganisationen - so wie die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Washington betrachtet die YPG dagegen als wichtige Verbündete im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
Erdogan äußerte sich am Sonntag vor Anhängern in der Provinz Bursa im Nordwesten der Türkei. In seiner im Fernsehen übertragenen Rede sagte er, wer Demonstrationsaufrufen prokurdischer Kräfte gegen die Militäroffensive in Nordsyrien Folge leiste, werde dafür einen "sehr hohen" Preis bezahlen.
"Unsere Sicherheitskräfte werden der PKK und der HDP die Hölle heiß machen", fügte Erdogan hinzu. Die im türkischen Parlament vertretene HDP ist eine prokurdische linksliberale Partei, deren Abgeordnete und Politiker einer scharfen Verfolgung ausgesetzt sind.
Dutzende Ziele in der Region Afrin wurden am Samstag zunächst aus der Luft und mit Artillerie beschossen. Zudem rückten nach Medienberichten Milizen der protürkischen Freien Syrischen Armee (FSA) in die Region vor.
Die YPG gaben die Zahl der Toten am Samstag mit zehn an. Unter ihnen seien sieben Zivilisten, darunter ein Kind. Außerdem seien zwei weibliche und ein männlicher Kämpfer getötet worden.
Die türkische Armee sprach allgemein von Opfern, allerdings nur auf der Gegenseite. Ihren Angaben zufolge bombardierten Kampfflugzeuge unter anderem den von der YPG kontrollierten Militärflughafen Minnigh nördlich von Aleppo. Insgesamt seien 108 Ziele angegriffen worden. 72 Flugzeuge seien beteiligt gewesen und sicher zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt. Auch IS-Ziele seien zerstört worden.
Die türkische Nachrichtenagentur Dogan meldete, am Sonntag seien aus der nordyrischen Kurdenregion vier Raketen auf die südtürkische Stadt Kilis abgefeuert worden. Zwei Häuser und ein Geschäft wurden demnach beschädigt, Tote habe es nicht gegeben. In der türkischen Kleinstadt Reyhanli starb nach Angaben des Bürgermeisters ein syrischer Flüchtling durch Raketenbeschuss, 32 weitere Menschen seien verletzt worden. Afrin und das hundert Kilometer weiter östlich am Euphrat gelegene Manbidsch gehören zur halbautonomen Kurdenregion im Nordwesten Syriens. Ankara will einen Zusammenschluss der Kurdengebiete westlich und östlich des Flusses und damit die Entstehung einer eigenständigen Kurdenregion an der Südflanke der Türkei verhindern.
Die syrische Führung wies eine Äußerung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu zurück, demzufolge Ankara die Regierung von Staatschef Baschar al-Assad über das militärische Vorgehen in seinem Land informiert hatte. Das Außenministerium in Damaskus bewerte das Vorgehen als einen "erneuten türkischen Angriff auf Syriens Souveränität".
Assad verurteilte am Sonntag die "brutale türkische Aggression". Diese laufe auf eine "Unterstützung terroristischer Organisationen" hinaus.
Eine Reaktion der USA lag zunächst nicht vor. Kurz vor Beginn der Offensive hatte ein ranghoher Beamter des Außenministeriums in Washington vor einer Gefährdung der Stabilität in der Region gewarnt.
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian äußerte sich am Sonntag "sehr besorgt" und forderte, eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats einzuberufen. Das russische Außenministerium forderte die Türkei zur Zurückhaltung auf. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, das russische Militärpersonal werde aus Sicherheitsgründen und zur Vermeidung von "Provokationen" aus Afrin abgezogen. (O.Bulka--BTZ)