Österreich: ÖVP nimmt FPÖ-Einladung zu Koalitionsverhandlungen an
Nach den gescheiterten Koalitionsgesprächen mit anderen Parteien hat die konservative ÖVP in Österreich eine Einladung zu Koalitionsverhandlungen mit der rechtspopulistischen FPÖ angenommen. Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Mittwoch berichtete, kündigte der geschäftsführende ÖVP-Chef Christian Stocker an, die Gespräche zu führen. Stocker habe aber betont, dass es bei wichtigen Themen wie Pressefreiheit, Unabhängigkeit von Russland und europäische Zusammenarbeit "ehrliche Antworten" brauche.
Zuvor hatte sich der ÖVP-Vorstand einstimmig für Gespräche mit der FPÖ ausgesprochen, wie APA weiter berichtete. Die erste Gesprächsrunde zwischen dem rechtsradikalen FPÖ-Chef Herbert Kickl und Stocker werde zeitnah stattfinden, hieß es. Der 64-jährige Stocker war in der Vergangenheit als entschiedener Gegner der rechtspopulistischen FPÖ in Erscheinung getreten.
Österreich hat mehr als drei Monate nach der Parlamentswahl immer noch keine neue Regierung. Am Freitag waren die im November aufgenommenen Koalitionsverhandlungen für ein Dreierbündnis zwischen der konservativen ÖVP, den Sozialdemokraten von der SPÖ und den liberalen Neos geplatzt; die Neos erklärten ihren Rückzug aus den Gesprächen. Nur einen Tage später scheiterten auch ÖVP und SPÖ mit ihren Bemühungen zur Bildung eines Zweierbündnisses. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer kündigte seinen Rücktritt an. Er hatte bereits zuvor eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl ausgeschlossen.
Nun soll der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg übergangsweise Kanzler werden. Wie das Büro von Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch erklärte, soll der ÖVP-Politiker ab Freitag die Regierungsgeschäfte übernehmen und gleichzeitig Außenminister bleiben. An einer möglichen FPÖ-geführten Regierung will sich Schallenberg laut APA aber nicht beteiligen.
Der 55-Jährige war bereits zuvor kurzzeitig Kanzler. Er hatte das Amt 2021 nach dem Rücktritt von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz infolge von Korruptionsvorwürfen für rund zwei Monate inne.
Die rechtspopulistische FPÖ war bei der Wahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent.
Nachdem die zweitplatzierte ÖVP mit ihren Koalitionsgesprächen gescheitert war, beauftragte Van der Bellen am Montag Kickl mit der Bildung einer Regierung. Dieser will nun selbst als erster FPÖ-Politiker in der Geschichte Österreichs ins Kanzleramt in Wien einziehen.
Angesichts der Koalitionsgespräche mit der ÖVP drängte Kickl auf "rasche Klarheit, ob eine solche Koalition des neuen Typus machbar ist oder nicht mit der ÖVP". Es müsse ein Bewusstsein geben, "wer jetzt die Wahl gewonnen hat und wer eben Zweiter geworden ist und nicht der Sieger ist". Die FPÖ sei sonst auch für Neuwahlen "gerüstet".
P.Grazvydas--BTZ