Amtsübergabe in Frankreich: Zentrums-Politiker Bayrou ist neuer Premierminister
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den 73 Jahre alten François Bayrou zum neuen Premierminister ernannt. Dieser habe nun die Aufgabe, eine Regierung zusammenzustellen, teilte der Elysée-Palast am Freitag in Paris mit. Bayrou ist Chef der mit Macron verbündeten Zentrumspartei Modem. Es ist der vierte Regierungschef seit Macrons Wiederwahl 2022. Am Abend fand in Paris die Amtsübergabe statt.
Bayrou zeigte sich der Schwierigkeit seiner Aufgabe bewusst. Ziel sei es nun, "einen Weg zu finden, der die Menschen vereint, anstatt sie zu spalten", sagte er. "Ich denke, dass Versöhnung notwendig ist", fügte er hinzu. Bei der Amtsübergabe sprach er von einer "gläsernen Mauer" zwischen "Bürgern und der Macht", die es zu überwinden gelte.
Macron hatte Bayrou am Morgen für knapp zwei Stunden im Elysée-Palast empfangen. Der ehemalige Bildungs- und Justizminister hatte Macron 2017 den Weg in den Elysée-Palast geebnet. Er war im Februar in einem Verfahren wegen Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft ist allerdings in Berufung gegangen. Ein Termin für ein neues Verfahren steht noch nicht fest.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte Bayrou "sehr herzlich". "Für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen Kraft und viel Erfolg", schrieb Scholz. Frankreich und Deutschland seien "engste Nachbarn und Freunde im Zentrum Europas". Er freue sich "auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit unserer beiden Regierungen im Geiste der besonderen deutsch-französischen Freundschaft".
Die bisherige Regierung unter Premierminister Michel Barnier war am 4. Dezember von der Nationalversammlung gestürzt worden. Die Rechtspopulisten hatten einen Misstrauensantrag der linksgerichteten Opposition unterstützt, nachdem Barnier keine Mehrheit für den Haushalt 2025 zusammenbekommen hatte.
Bayrou solle nun mit allen Parteien das Gespräch suchen, die Macron am Dienstag empfangen hatte, "um Bedingungen für Stabiltät und Handeln festzulegen", hieß es im Elysée-Palast. Macron hatte Vertreter aller Parteien mit Ausnahme der Links- und Rechtspopulisten eingeladen.
Die linkspopulistische Partei kündigte drei Minuten nach Bayrous Ernennung bereits einen Misstrauensantrag an. Das Land habe "die Wahl zwischen einer Fortsetzung der Unglückspolitik unter Bayrou oder einem Bruch", erklärte die Abgeordnete Mathilde Panot von der Partei La France Insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich).
Der Parteichef der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, bekräftigte die "roten Linien" seiner Partei, etwa höhere Zuzahlungen für Medikamente. Einen Misstrauensantrag werde seine Partei "zunächst" nicht unterstützen, betonte er.
Damit setzt Bardella auf dieselbe Strategie, mit der er den bisherigen Premierminister Barnier zu massiven Zugeständnissen bewegen konnte - um sich am Ende dennoch an dessen Sturz zu beteiligen. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen sprach von einer "Verlängerung der Macron-Herrschaft", die in eine Sackgasse führe.
Ob Bayrou in der Nationalversammlung eine Mehrheit zusammenbekommt, hängt vor allem von den Sozialisten ab. Diese stellten in einem Schreiben an Bayrou dessen Duldung in Aussicht, falls dieser bereit sei, auf den umstrittenen Verfassungsartikel 49.3 zu verzichten. Dieser ermöglicht das Verabschieden von Gesetzen ohne Abstimmung im Parlament, wobei die Regierung jedoch einen Misstrauensantrag in Kauf nimmt.
Die Sozialisten zählen derzeit noch zu einem Bündnis mit den Linkspopulisten, den Grünen und den Kommunisten und hatten mit ihren Partnern zusammen den Misstrauensantrag gegen Barnier unterstützt. Macrons Lager hofft darauf, dieses linksgrüne Bündnis aufzubrechen.
Die kommenden Verhandlungen für eine von Macron so genannte "Regierung des Gemeinwohls" sind mit deutschen Koalitionsverhandlungen nicht vergleichbar. Es geht dabei nicht um ein gemeinsames Programm, sondern lediglich um einen Minimalkonsens, um etwa den Haushalt für 2025 abzustimmen.
Da Barnier dies nicht gelungen war, soll in der kommenden Woche ein Sondergesetz verabschiedet werden. Es ist das erste Mal seit 1979, dass ein solches Gesetz genutzt wird, um die Zahlungsunfähigkeit der Regierung zu verhindern. Es ermöglicht ein Weiterregieren auf der Basis des Haushalts von 2024. Zu den Nebeneffekten zählen höhere Steuern für viele Franzosen, weil die Einkommensteuer zunächst nicht an die Inflation angepasst wird.
Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juli hat das Regierungslager keine Mehrheit mehr. Die Nationalversammlung ist in drei miteinander verfeindete Blöcke gespalten.
N. Nilsson--BTZ