Wahlannullierung in Rumänien: Rechtsradikaler Kandidat protestiert vor Wahllokal
Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien wegen Vorwürfen russischer Einflussnahme hat der in der ersten Wahlrunde siegreiche rechtsradikale Calin Georgescu seine Anhängerschaft zu mobilisieren versucht. Georgescu erschien am Sonntag trotz Absage der eigentlich für diesen Tag geplanten Stichwahl vor einem Wahllokal und prangerte einen Verfassungsbruch an. Vor dem Wahllokal demonstrierte eine kleine Menge gegen die Wahlannullierung. Breite Proteste im Land gab es jedoch nicht.
"Ich bin im Namen der Demokratie hier", sagte Georgescu vor dem Wahllokal in einer Schule in Mogosoaia nahe der Hauptstadt Bukarest. "Dies ist der Tag der Verfassung", sagte er unter die ursprünglich für Sonntag angesetzte Stichwahl. "Aber in Rumänien gibt es nichts Verfassungsmäßiges", beklagte er. Georgescu teilte mit, dass er die Wahlannullierung bei der rumänischen Justiz sowie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten habe.
Das Oberste Gericht des südosteuropäischen Landes hatte am Freitag die erste Runde der Präsidentschaftswahl vollständig annulliert und damit auch die Stichwahl abgesetzt. Das Gericht ordnete eine Wiederholung der Wahl an, der Termin muss noch von der Regierung festgesetzt werden.
Bei der Wahl am 24. November hatte der als russlandfreundlich geltende Georgescu völlig überraschend mit knapp 23 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Georgescu sollte demnach in der Stichwahl gegen die zweitplatzierte Mitte-Rechts-Politikerin Elena Lasconi antreten. Der sozialdemokratische Regierungschef Marcel Ciolacu, der ebenfalls für das Präsidentenamt kandidiert hatte, war als Drittplatzierter überraschend ausgeschieden.
Georgescu sprach kurz nach diesem Gerichtsbeschluss von einem "formalisierten Staatsstreich". Auch die Kleinstadt-Bürgermeisterin Lasconi kritisierte die Wahlannullierung scharf und sprach von einer "illegalen" Entscheidung, die das "Wesen der Demokratie" zerstöre.
In einer ersten Entscheidung am vergangenen Montag hatte das Oberste Gericht das offizielle Ergebnis der ersten Wahlrunde noch als korrekt bestätigt. Zuvor hatte eine von den Verfassungshütern angeordnete Neuauszählung der Stimmen stattgefunden.
Die Annullierung der Wahl in dem EU- und Nato-Mitgliedstaat folgte dann am Freitag, nachdem zuvor das rumänische Präsidialamt Geheimdienstdokumente zu mutmaßlichen Wahlmanipulationen zugunsten Georgescus freigegeben hatte. Unter anderem war in den Dokumenten von einer "Guerilla"-Kampagne auf der Videoplattform Tiktok mit "manipulierten" Influencern und der Nutzung von Algorithmen sowie von mehr als 85.000 Cyberattacken die Rede.
Rumänien sei zudem ein Ziel "aggressiver" Einmischungen Russlands, darunter Cyberangriffe, Leaks und Sabotageakte, erklärte der Geheimdienst. Am Samstag durchsuchte dann die Polizei im Zuge von Ermittlungen zu der Wahl drei Häuser in der zentralrumänischen Stadt Brasov. Es gehe um die Vorwürfe der "Wählerbestechung, Geldwäsche und Datenmanipulation", erklärte die Staatsanwaltschaft.
Demnach richtete sich die Razzia gegen einen Beschuldigten, der an der "illegalen Finanzierung des Wahlkampfs eines Kandidaten für die Präsidentschaft Rumäniens unter Verwendung von Geldbeträgen" beteiligt gewesen sei. Zudem gehe es um Verstöße gegen das Verbot faschistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Organisationen und Symbole. Die Ermittler machten aber keine näheren Angaben zu dem Beschuldigten.
Georgescu hatte in der Vergangenheit seine Bewunderung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin bekundet. Später beteuerte er jedoch, "kein Fan" des Kreml-Chefs zu sein und keine Verbindungen nach Moskau zu haben. Der Rechtsradikale lehnt aber die Hilfen für die Ukraine in ihrem Abwehrkrieg gegen Russland ab.
An die Bürgerinnen und Bürger appellierte Georgescu, sich trotz der Absage der Stichwahl am Sonntag zu den Wahllokalen zu begeben. Sie sollten darauf warten, "dass sie willkommen geheißen werden und (...) dass die Demokratie durch ihre Kraft gewinnt".
Vor der Schule in Mogosoaia versammelten sich aber nur etwas mehr als hundert Demonstranten. Sie riefen "Nieder mit der Diktatur!", "Wir wollen wählen!" und "Diebe!".
"Ich bin hier für die Demokratie, denn meiner Meinung nach existiert sie nicht mehr", sagte die 60-jährige Demonstrantin Adriana Iaercau der Nachrichtenagentur AFP. Der Protestteilnehmer Sorin Scuratovschi bezeichnete die abgehaltene Wahl als "demokratischen Prozess". Bis Freitag sei "alles gut" gewesen, dann aber "haben sie beschlossen, die Demokratie zu töten, die Rumänien 1989 gebracht wurde", beklagte der 46-Jährige unter Bezug auf den damaligen Sturz des Diktators Nicolae Ceaucescu.
H. Müller--BTZ