"Wir wollen Europa": Tausende Menschen demonstrieren erneut in Georgien
Die Proteste gegen die Regierung in Georgien reißen nicht ab: Am Samstag gingen den zehnten Abend in Folge tausende Menschen in der Hauptstadt Tiflis auf die Straße. Sie zogen zum Parlament und verlangten Neuwahlen und eine Rückkehr zu einem pro-europäischen Kurs. Georgiens pro-westliche Präsidentin Salome Surabischwili sprach nach eigenen Angaben in Paris "ausführlich" mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.
Die pro-europäischen Demonstranten versammelten sich vor der staatlichen Universität und marschierten zum Parlament. Von dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen Demonstrierende in den vergangenen Tagen und Angriffen auf die Opposition ließen sich die Menschen dabei nicht beeindrucken.
"Die Regierung versucht, uns zu verhaften, uns zu bestrafen, aber wir weichen nicht zurück, wir haben keine Angst", sagte der 19-jährige Demonstrant Giorgi Romanadse. "Wir wollen Europa und nur Europa."
Einige Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift "Wir fordern freie und faire Wahlen" und "Befreit alle zu unrecht festgenommen". Gleichzeitig wurden Rufe nach einer stärkeren internationalen Unterstützung lauter. "Wir kämpfen für unsere Freiheit, und wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft uns hilft", sagte die 32-jährige Teona Tschakwetadse. Die internationale Gemeinschaft "muss unsere Oligarchen und diese unrechtmäßige Regierung sanktionieren. Wir können diesen Kampf nicht alleine gewinnen."
Die Polizei setzte erneut Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.
Der unabhängige Fernsehsender Pirweli berichtete, Dutzende maskierte Männer hätten Journalisten des Senders heftig geschlagen. Polizisten hätten in der Nähe gestanden und nicht eingegriffen. Den Sicherheitsbehörden der Regierung wird immer wieder vorgeworfen, Kräfte in Zivil auf politische Gegner anzusetzen.
Die pro-europäischen Proteste, die in der vergangenen Woche begonnen hatten, richten sich insbesondere gegen den von Regierungschef Irakli Kobachidse angekündigten Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen des Kaukasusstaats bis 2028. Zuletzt ging die Regierung immer härter gegen die Opposition vor. Den Behörden zufolge wurden seit dem Beginn der Proteste 341 Demonstrierende festgenommen. Knapp 150 Polizisten wurden verletzt.
Deutschland, Frankreich und Polen verurteilten am Freitag das Vorgehen der georgischen Regierung gegen die pro-europäischen Proteste. Die drei Länder prangerten zudem die Gewalt gegen Oppositionelle und Journalisten an, wie es in einer gemeinsamen Erklärung des Auswärtigen Amts und der Außenministerien von Frankreich und Polen hieß.
Die pro-westliche Präsidentin Surabischwili, die an der Feier zur Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame in Paris teilnahm, teilte in Online-Diensten mit, sie habe "ausführliche Diskussionen" mit dem designierten US-Präsidenten Trump und Frankreichs Präsident Macron geführt. Sie hätten über "die gestohlene Wahl und die extrem alarmierende Unterdrückung des georgischen Volkes" gesprochen, erklärte Surabischwili. "Das georgische Volk hat mit Donald Trump einen Freund."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Samstag, er unterstütze die regierungskritischen Proteste in Georgien. Bei einem Treffen mit Surabischwili in Paris appellierte er an Tiflis, sich Moskau nicht "auszuliefern". Er hatte seit Monaten vor russischer Einflussnahme in Georgien gewarnt.
Die Lage in Georgien ist seit der Parlamentswahl vom 26. Oktober stark angespannt. Die Moskau-freundliche Regierungspartei Georgischer Traum hatte laut offiziellem Wahlergebnis eine deutliche Mehrheit errungen. Die Opposition wirft ihr jedoch Wahlbetrug vor. Sie beschuldigt die Regierung der früheren Sowjetrepublik, Georgien wieder an Russland heranrücken zu wollen.
Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Seitdem hat die Regierung aber mehrere Gesetze verabschiedet, die in Brüssel große Sorge hervorrufen, darunter ein Gesetz nach russischem Vorbild gegen "ausländische Einflussnahme". Die EU fror deshalb Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien ein.
A. Bogdanow--BTZ