Werben, warnen, appellieren: Die SPD-Spitze bearbeitet die "GroKo"-Gegner
Werben, warnen, appellieren: Mit diesem Dreiklang bemühen sich die "GroKo"-Verfechter in der SPD, die parteiinternen Skeptiker von Koalitionsgesprächen mit der Union zu überzeugen. SPD-Chef Martin Schulz beteuerte, im Falle einer erneuten großen Koalition werde nach zwei Jahren über Nachbesserungen entschieden. Der konservative SPD-Flügel befürchtet einen Absturz der Partei, wenn die Gegner der großen Koalition obsiegen.
"Wir werden den Koalitionsvertrag nach zwei Jahren einer Bestandsaufnahme unterziehen", sagte Schulz - nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. "Wir müssen nach dieser Zeit einen Strich ziehen und uns fragen: Wie weit sind wir eigentlich gekommen? Und was müssen wir verändern?" Dieser Termin sei Bedingung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union.
Schulz wirbt seit Tagen um die Zustimmung der "GroKo"-Gegner in der SPD. Nach Gesprächen mit Delegierten des mächtigen Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zu Beginn der Woche standen am Mittwoch Treffen in Bayern und Rheinland-Pfalz auf seinem Programm.
Ob der Parteichef mit seiner Werbetour Erfolg hat, zeigte sich auf dem Sonderparteitag am Sonntag in Bonn: Dort sollen die Delegierten auf Grundlage des Sondierungsergebnisses über den Einstieg in Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden.
Der konservative Seeheimer Kreis der SPD warnte die Gegner einer Koalition mit der Union vor den Folgen eines Neins. "Wenn sich die SPD am Sonntag doch noch einer GroKo verweigern sollte, riskiert sie bei Neuwahlen einen Absturz auf 15 bis 16 Prozent", sagte einer der Sprecher des Seeheimer Kreises, Edgar Franke, nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. Davon werde sich die SPD "langfristig nicht erholen".
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht ebenfalls Neuwahlen auf die Partei zukommen, wenn es nicht zu einer großen Koalition kommt. "Jeder SPD-Delegierte muss sich vor der Abstimmung auf dem Parteitag klarmachen, dass es nur zwei realistische Szenarien gibt: Weiterverhandeln oder Neuwahlen", sagte Klingbeil gegenüber Medienvertretern.
Führende SPD-Kommunalpolitiker aus dem ganzen Bundesgebiet appellierten an ihre Partei, Koalitionsverhandlungen zuzustimmen. "Am Ende muss der Entwurf eines Koalitionsvertrages entscheidend dafür sein, ob die SPD eine Koalition mit den Unionsparteien eingeht", heißt es in einer Erklärung von zwölf SPD-Oberbürgermeistern unter anderem aus München, Leipzig und Kiel. Die mit einer Regierungsbeteiligung verbundene Möglichkeit, sozialdemokratische Politik für die Menschen zu gestalten, "darf nicht ausgeschlagen werden".
Auch SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider rief die Delegierten des Sonderparteitags auf, für Koalitionsverhandlungen zu stimmen. Denn damit würden die 600 Delegierten den mehr als 400.000 SPD-Mitgliedern die Chance geben, über die Fortsetzung der großen Koalition entscheiden zu können. Nach Abschluss von Koalitionsgesprächen will die SPD ihre Basis über das Ergebnis abstimmen lassen.
Von manchen SPD-Vertretern geforderte Neuverhandlungen des Sondierungsergebnisses stellte Schulz ausdrücklich nicht in Aussicht. "Ich kann keine konkreten Änderungen für bestimmte Punkte versprechen", sagte er. "Wir werden noch einmal über alle Themen reden. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungen erreichen, dann umso besser."
(B. Semjonow--BTZ)