Macron sucht neuen Premierminister - Sozialisten offen für Verhandlungen
Zwei Tage nach dem Sturz der französischen Regierung durch ein Misstrauensvotum sucht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach einem neuen Premierminister, der im Parlament eine Mehrheit organisieren könnte. Sozialistenschef Olivier Faure zeigte sich offen für Verhandlungen, wenn Macron sich für einen Regierungschef aus dem linken Lager entscheide, und "wenn beide Seiten Zugeständnisse machen". Seine Partei werde "in keinem Fall einen konservativen Regierungschef unterstützen".
Macron habe nicht verlangt, dass die Sozialisten das Wahlbündnis mit den Linkspopulisten aufkündigen, betonte Faure nach seinem Treffen mit dem Präsidenten. Macron hatte am Freitag auch die Parteichefs seines eigenen Lagers und der konservativen Republikaner zu Sondierungsgesprächen eingeladen.
Die Linkspopulisten kritisierten die Verhandlungsbereitschaft der Sozialisten scharf. "Faure hat die Neue Volksfront getötet", sagte der Abgeordnee Paul Vannier. Der Parteigründer der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) Jean-Luc Mélenchon betonte, dass Faure "kein Mandat zum Verhandeln" habe. Grünen-Chefin Marine Tondelier warnte die Sozialisten davor, "nicht in Macrons Falle zu tappen".
Am Vorabend hatte Macron in einer TV-Ansprache Forderungen nach seinem eigenen Rücktritt entschieden zurückgewiesen. Macron hatte zudem eine "Regierung des Gemeinwohls" in Aussicht gestellt, die "alle politischen Kräfte des republikanischen Spektrums" umfassen sollte. Vertreter der Rechts- und Linkspopulisten, der Grünen und der Kommunisten waren zunächst nicht von Macron eingeladen.
Macron hatte zudem deutlich gemacht, dass er nicht an einen Rücktritt denke. "Sie haben mir auf demokratische Weise ein Mandat für fünf Jahre anvertraut, und das werde ich bis zum Ende ausführen", sagte er an die Adresse der Wählerinnen und Wähler. Er kündigte an, "in den nächsten Tagen" einen neuen Regierungschef zu ernennen.
Der bisherige Regierungschef Michel Barnier war über ein Misstrauensvotum der linken Opposition gestürzt, das die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN, Nationale Vereinigung) unterstützt hatte. Macron warf dem RN vor, es auf sein Amt abzusehen. "Sie denken nur an eine Sache, die Präsidentschaftswahl, die sie schnell herbeiführen wollen", sagte Macron. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen will bei der Wahl antreten und legt Macron den Rücktritt nahe.
Die RN-Abgeordneten hätten "ganz einfach für das Chaos gestimmt, das ist das einzige Projekt, das sie mit den Linksextremen gemeinsam haben", sagte Macron. Der Sturz der Regierung sei nur möglich geworden, "weil sich die extrem Rechten mit den extrem Linken zu einer antirepublikanischen Front vereint haben", fügte er hinzu.
Die neue Regierung soll nach dem Wunsch von Macron bis Mitte Dezember ein Sondergesetz auf den Weg bringen, um die Regierungsgeschäfte auf der Basis des Haushalts von 2024 fortzusetzen. Anfang kommenden Jahres solle dann ein neues Haushaltsgesetz erarbeitet werden. Die derzeitige Regierung ist seit Donnerstag nur noch geschäftsführend im Amt.
Als nächster Premierminister ist der 38-jährige Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch, mit dem Macron eng verbunden ist. Er ist der einzige, der seit Macrons Amtsantritt 2017 ununterbrochen in der Regierung ist. Genannt wird auch der der 73 Jahre alte François Bayrou, Chef einer mit Macron verbündeten Splitterpartei.
Da am Wochenende die Wiedereröffnung der nach dem Großbrand von 2019 restaurierten Pariser Kathedrale Notre-Dame in Anwesenheit von mindestens 35 Staats- und Regierungschefs ansteht, ist frühestens für Montag mit der Ernennung des Nachfolgers von Barnier zu rechnen. Dieser hatte mit drei Monaten die kürzeste Amtszeit der jüngeren Geschichte Frankreichs. Eine Neuwahl des Parlaments könnte frühestens im Juli 2025 stattfinden.
M. Tschebyachkinchoy--BTZ