Israel greift nach Hisbollah-Beschuss Ziele im Libanon an - Neun Tote laut libanesischem Gesundheitsministerium
Wenige Tage nach Beginn einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon hat die israelische Armee eigenen Angaben zufolge dutzende Ziele der pro-iranischen Miliz "im gesamten Libanon" getroffen. Die Luftwaffe habe "Hisbollah-Terroristen, dutzende Abschussrampen und terroristische Infrastruktur im gesamten Libanon getroffen" erklärte die Armee am Montagabend. Die Angriffe erfolgten israelischen Angaben zufolge als Reaktion auf Beschuss durch die Hisbollah. Das libanesische Gesundheitsministerium meldete mindestens neun Todesopfer durch israelische Angriffe auf zwei Dörfer im Südlibanon.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden fünf Menschen in dem Dorf Haris getötet sowie zwei weitere verletzt. Im Dorf Tallus starben demnach vier Menschen durch israelischen Beschuss, ein weiterer erlitt Verletzungen.
Die Hisbollah hatte am Montag offenbar erstmals seit Inkrafttreten der Waffenruhe vergangene Woche eine israelische Stellung angegriffen. Die Hisbollah bekannte sich zu einem Angriff auf eine israelische Stellung auf den Scheba-Farmen, die von Israel als Har Dov bezeichnet werden und die in einem zwischen Israel und dem Libanon umstrittenen Gebiet nahe dem Dorf Kfar Schuba liegen.
In dem etwa 30 Quadratkilometer kleinen Gebiet an der Grenze von Israel, Libanon und Syrien waren im Jahr 2006 zwei israelische Soldaten entführt worden, dies löste damals den zweiten Libanon-Krieg aus.
Die israelische Armee hatte zuvor erklärt, dass die Hisbollah zwei Geschosse auf das Gebiet abgefeuert habe. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beschuldigte die Hisbollah einer "schwerwiegende Verletzung" der Waffenruhe und kündigte eine Antwort "mit aller Kraft" an. Auch der israelische Verteidigungsminister Israel Katz kündigte im Onlinedienst X eine "harte Antwort" an.
Die von der Hisbollah abgefeuerten Geschosse gingen nach Angaben der israelischen Armee in dem Gebiet von Har Dov auf offenem Gelände nieder. Es sei niemand verletzt worden.
Die Waffenruhe ist seit Mittwoch in Kraft. Sie war nach mehr als einem Jahr zunehmend heftiger Kämpfe unter internationaler Vermittlung zustandegekommen. Israel hatte jedoch angekündigt, weiter gegen Bedrohungen aus dem Libanon vorzugehen, "falls die Hisbollah gegen das Abkommen verstößt und versucht, sich wieder zu bewaffnen". Die israelische Armee führte seitdem vereinzelte Angriffe auf Hisbollah-Stellungen aus, von denen aus ihrer Sicht Verstöße gegen die Waffenruhe ausgingen.
Der israelische Außenminister Gideon Saar wies am Montag Vorwürfe zurück, Israel verletze seinerseits die Waffenruhe. Er reagierte damit auf Kritik seines französischen Kollegen Jean-Noël Barrot. Dieser hatte in einem Telefonat mit Saar an die "Notwendigkeit" erinnert, "dass alle Seiten die Waffenruhe im Libanon respektieren".
"Das Gegenteil ist der Fall", erklärte Saar zu der Kritik des französischen Ministers Israel setze die Waffenruhebedingungen "als Reaktion auf die Verstöße der Hisbollah durch, die sofortige Maßnahmen erfordern". Die vom Iran hochgerüstete Miliz habe versucht, Waffen in den Südlibanon zu schmuggeln. Die "grundlegendste Verletzung der Vereinbarungen" sei jedoch die Präsenz der Hisbollah "südlich des Litani-Flusses".
Die von den USA und Frankreich vermittelte Waffenruhe-Vereinbarung sieht vor, dass die israelische Armee den Südlibanon innerhalb von 60 Tagen schrittweise verlässt. Die Hisbollah soll sich ihrerseits aus dem Grenzgebiet bis hinter den etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernten Fluss Litani zurückziehen und ihre militärischen Stützpunkte auflösen. Lediglich die libanesische Armee und UN-Blauhelme der Friedensmission Unifil sollen vor Ort verbleiben.
Die Hisbollah hatte ihre Zustimmung zu der Vereinbarung nicht mehr wie zuvor an eine Waffenruhe im Gazastreifen geknüpft. Nach dem Großangriff der dort herrschenden Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die Hisbollah mit regelmäßigen Raketenangriffen vom Libanon aus eine zweite Front gegen Israel eröffnet.
Als Reaktion beschoss Israel immer wieder Hisbollah-Ziele im Nachbarland. Seit Mitte September hatte die israelische Armee ihre Angriffe dann deutlich verstärkt, zudem startete sie Ende September Bodeneinsätze im Südlibanon.
Indes riefen der französische Präsident Emmanuel Macron und der saudiarabische Kronprinz Mohammed bin Salman zu einer Präsidentschaftswahl im Libanon auf. "Sie forderten gemeinsam die Abhaltung einer Präsidentschaftswahl im Libanon mit dem Ziel, die Libanesen zusammenzubringen und die für Stabilität und Sicherheit notwendigen Reformen durchzuführen", erklärte der Elyséepalast. Macron ist derzeit auf Staatsbesuch in Saudi-Arabien.
L. Solowjow--BTZ