Schulz wirbt in der SPD für Koalitionsgespräche mit der Union
Vor dem SPD-Sonderparteitag wirbt Parteichef Martin Schulz in den eigenen Reihen für eine Neuauflage der großen Koalition. "Wir haben eine lange Liste von Punkten durchgesetzt, die das Leben der Menschen ganz konkret verbessern", sagte Schulz nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. "Daran gibt es nichts kleinzureden."
Die SPD will am Sonntag in Bonn auf einem Sonderparteitag auf Grundlage des Sondierungsergebnisses die Delegierten darüber entscheiden lassen, ob sie in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigt. Angesichts großer Bedenken in Teilen der Partei ist der Ausgang ungewiss. Einer der Wortführer der "Groko"-Gegner ist Juso-Chef Kevin Kühnert, der sich durch das Verhandlungsergebnis in seiner Kritik bestärkt sieht. In dem mit der Union ausgehandelten Papier hätten "viele zentrale Ziele der SPD" nicht verankert werden können, gleichzeitig habe seine Partei aber "sehr bittere Pillen" schlucken müssen, sagte Kühnert. "Vorher hatten wir als Jusos bereits erhebliche Skepsis gegen eine mögliche große Koalition geäußert. Das lässt sich jetzt für uns einfacher begründen."
Die SPD habe natürlich nicht alles bekommen, räumte Schulz ein. "Aber das, was wir durchgesetzt haben, rechtfertigt die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen." Die Parteiführung werde auf dem Sonderparteitag am Sonntag geschlossen dafür eintreten.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnte die parteiinternen Kritiker am Montag davor, das mühsam erzielte Sondierungsergebnis "mutwillig" schlechtzureden. Sie warf den Jusos im Deutschlandfunk vor, die in den Gesprächen mit der Union erzielten Erfolge etwa bei der Rente, der Bildungspolitik oder in der Einwanderungspolitik zu ignorieren.
Die Union reagiert zunehmend empfindlich auf Forderungen aus der SPD nach Nachverhandlungen. Die Ergebnisse seien durch "harte, aber faire" Gespräche entstanden, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. "Man kann jetzt nicht hinterher das alles wieder in Frage stellen." Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stellte in einem Interview hierzu klar: "Was jetzt als Konsens auch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, an dem gibt es nichts mehr zu rütteln."
SPD-Vizechef Ralf Stegner machte hingegen unmissverständlich deutlich, dass er das Ergebnis nur als "Basis" für Koalitionsverhandlungen sieht. "Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt - das ist es mitnichten", sagte er hierzu weiter.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zeigte sich "genervt" von der Debatte in der SPD. "Sie setzt jetzt die Botschaft, wir sind nicht zufrieden", kritisierte Scheuer. Er empfehle der SPD, stattdessen die Punkte zu debattieren, die sie durchgesetzt habe.
Die Vorsitzenden der Gewerkschaften Verdi und DGB rieten der SPD ebenfalls zu Koalitionsverhandlungen. Union und SPD hätten in den Sondierungen eine Reihe von Verabredungen getroffen, die Arbeitnehmern spürbare Vorteile brächten, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG - in einem aktuellen Interview.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann nannte die Stabilisierung des Renten-Niveaus bei 48 Prozent, die Erhöhung der Erwerbsminderungsrente und die Rückkehr zur paritätischen Krankenversicherung als Erfolge der SPD. Zwar gebe es auch Schwachstellen. Die SPD könne aber "doch nicht die Augen verschließen und sagen, ich nehme das alles nicht und lasse das alles liegen."
(A. Lefebvre--BTZ)