SPD: Keine Chance bei Union mit Nachforderungen zu Sondierungen
In Union und SPD wird die Verbindlichkeit der am Freitag ausgehandelten Sondierungsergebnisse offensichtlich unterschiedlich interpretiert. Mehrere führende Sozialdemokraten forderten am Wochenende Nachbesserungen in zentralen Punkten wie der Forderung nach einer Bürgerversicherung und dem Aus für sachgrundlose Befristungen - was Politiker von CDU und CSU umgehend zurückwiesen. Der Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalt stellte sich grundsätzlich gegen eine neue große Koalition im Bund.
"Wir werden versuchen, in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen", kündigte die SPD-Vize und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer angesichts des heftigen Widerstands in den eigenen Reihen in einem Interview vom Sonntag an. Dabei werde man "auch über die Bürgerversicherung noch einmal sprechen müssen", außerdem über die befristeten Arbeitsverträge und die Leiharbeit. Ähnlich äußerte sich in einem Interview auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
SPD-Vize Ralf Stegner sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview - zum Thema sachgrundlose Befristung: "Diesen Punkt sollte der SPD-Parteitag am 21. Januar klarmachen." Ohne deren Abschaffung solle die SPD keine Koalition eingehen. Auf dem Parteitag in Bonn will die SPD über eine Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden. Dagegen gibt es in der Partei erhebliche Vorbehalte.
Inhaltliche Korrekturforderungen stellte auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Zwar gebe es in den Sondierungsergebnissen einige "gute Ansätze", doch "bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht". Müller schloss daher nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interview vom Sonntag auch Neuwahlen nicht aus.
Der SPD-Landesparteitag Sachsen-Anhalt beschloss am Samstag in Wernigerode mit knapper Mehrheit von 52 zu 51 Stimmen einen unter anderem von den Jusos eingebrachten Antrag gegen die Bildung einer großen Koalition auf Bundesebene. Stattdessen sollten "alternative Lösungen gesucht werden", mit Neuwahlen als "letzter Option". Zuvor hatte dort Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) vergeblich für eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Union geworben. Gegen eine neue "GroKo" wandte sich als Gastredner Juso-Chef Kevin Kühnert.
Andere SPD-Politiker verteidigten die Sondierungsergebnisse. Parteichef Martin Schulz sprach nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG von durchgesetzten "Verbesserungen für die Menschen", für die er nun auf dem Sonderparteitag kämpfen werde. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nannte diese für sich sehr gut vertretbar". Auf inhaltliche Erfolge wie Solidarrente und Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich verwies in der "Welt" SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, forderte Schulz nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, für Disziplin in seiner Partei zu sorgen und zu zeigen, dass "er den Zwergenaufstand in den Griff bekommt". Die Sondierungsergebnisse seien nicht mehr verhandelbar, sagte auch der bayerische Finanzminister und designierte Ministerpräsident Markus Söder hierzu. "Natürlich gilt alles", stellte er klar.
Ebenfalls gegen jegliche Nachverhandlungen wandte sich CDU-Vize Thomas Strobl. "Union und SPD waren in ernsthaften Gesprächen und nicht beim Ringelpiez mit Anfassen", sagte er gegenüber Medienvertretern). "Was wir miteinander vereinbart haben, gilt." Grundlegende Dinge dagegen, die nicht bei den Sondierungen vereinbart worden seien, "kommen auch nicht in einen Koalitionsvertrag". Besonders nannte Strobl hier die Bürgerversicherung.
(L. Andersson--BTZ)