Türkische Regierung identifiziert nach Anschlag beide Angreifer als PKK-Mitglieder
Nach dem tödlichen Anschlag bei Ankara hat die türkische Regierung am Donnerstag die beiden Attentäter als Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) identifiziert. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte im Onlinedienst X, bei den Angreifern handele es sich um einen Mann namens Ali Örek, der auch unter dem Decknamen "Rojger" bekannt ist, und eine Frau namens Mine Sevjin Alcicek. Beide seien "PKK-Terroristen". Die türkische Armee griff als Reaktion auf das Attentat schon in der Nacht PKK-Stellungen in Syrien und im Irak an.
Der Anschlag war Mittwochnachmittag vor dem Hauptquartier der türkischen Rüstungsindustrie in Kahramankazan etwa 40 Kilometer von Ankara entfernt verübt worden. Fünf Menschen wurden dabei getötet und 22 weitere verletzt. Die türkische Regierung machte schnell die verbotene PKK für den Vorfall verantwortlich. Zwei Angreifer wurden getötet.
Die PKK kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat und wird von Ankara und seinen westlichen Verbündeten als Terrororganisation eingestuft.
Yerlikaya hatte zunächst die Identifizierung eines der beiden Angreifer bekannt gegeben. Beide waren auf Bildern einer Überwachungskamera am Tatort zu sehen, wie sie mit einem Sturmgewehr in der Hand aus einem Taxi steigen und das Feuer eröffnen. Auch der Taxifahrer wurde erschossen. Seine Beerdigung fand im Beisein von Parlamentspräsident Numan Kurtulmus statt.
Von den 22 bei dem Attentat verletzten Menschen konnten acht bereits aus dem Krankenhaus entlassen werde, 14 wurden noch behandelt, wie das Gesundheitsministerium erklärte.
Die Armee führte Luft- und Drohnenangriffe gegen insgesamt 47 Ziele aus und "zerstörte 32 Ziele der Terroristen", wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte. Im Irak seien 29 und im Norden Syriens 18 Ziele angegriffen worden, hieß es weiter. Die Angriffe sollten nach Angaben aus Ministeriumskreisen fortgesetzt werden. Nach Angaben von Kurtulmus wurden bei den Angriffen "59 Terroristen" getötet, darunter zwei hochrangige Beamte. Den kurdischen Streitkräften in Syrien zufolge kamen zwölf Zivilisten ums Leben, darunter zwei Kinder.
Indes wurden die ersten Opfer des Anschlags beerdigt.
An mehreren Flughäfen in Istanbul wurden infolge des Anschlags die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, wie verschiedene türkische Medien berichteten.
Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich aktuell beim Treffen der Brics-Staaten im russischen Kasan befindet, dankte "allen unseren Freunden, die ihr Beileid für den gestrigen perfiden Angriff und ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben." Der Angriff habe "die Entschlossenheit der Türkei, den Terrorismus zu beseitigen, weiter gestärkt", erklärte er. Nach Angaben der Präsidentschaft wollte er im Laufe des Tages nach Ankara zurückkehren.
Der tödliche Angriff erfolgte vor dem Hintergrund zunehmender Anzeichen einer politischen Entspannung zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Führung. Am Donnerstag wurde bekannt, dass der seit 25 Jahren in der Türkei inhaftierte PKK-Anführer Öcalan erstmals seit 43 Monaten Besuch im Gefängnis erhalten habe. Die Familie habe ihn am Mittwoch getroffen, teilte Öcalans Neffe Ömer Öcalan im Onlinedienst X mit.
Seinen Angaben zufolge ist der 75-Jährige "bei guter Gesundheit". Weiter wolle sein Onkel folgende Botschaft senden: "Wenn die Bedingungen eintreten, habe ich die theoretische und praktische Macht, den Konflikt von der Ebene der Gewalt auf eine rechtliche und politische Ebene zu übertragen."
Einem Journalisten der regierungsnahen türkischen Tageszeitung "Hürriyet" zufolge dauerte das Treffen "zwei Stunden". Weiter bestätigte er, dass Öcalan sich bereit erklärt habe, "die Waffen niederzulegen".
Am Dienstag hatte der Vorsitzende der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahceli, Öcalan dazu eingeladen, vor dem Parlament die Auflösung der PKK sowie den Verzicht auf Gewalt anzukündigen. Die MHP ist seit Jahren wichtigster Bündnispartner von Erdogans islamisch-nationalistischer Regierungspartei AKP.
Die pro-kurdische Partei DEM, der auch Öcalans Neffe angehört, erklärte am Mittwoch, es sei "bezeichnend", dass der Anschlag verübt wurde, "während die türkische Gesellschaft Lösungen diskutiert, um die Möglichkeit eines Dialogs zu schaffen".
Öcalan war am 15. Februar 1999 vom türkischen Geheimdienst in der kenianischen Hauptstadt Nairobi gefasst worden. Der Kurdenführer sitzt seitdem in fast völliger Isolation eine lebenslange Freiheitsstrafe auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer ab.
Bereits in den Jahren 2012 und 2013 hatte Öcalan einen Dialog und einen Waffenstillstand gefordert, bevor der blutige Konflikt in Diyarbakir, der größten kurdischen Stadt der Türkei, erneut ausbrach. Am Ende dieser Auseinandersetzungen hatten sich die PKK-Kämpfer in die Berge an der Grenze zwischen Syrien und dem Irak zurückgezogen.
F. Schulze--BTZ