Rostocker Nato-Quartier: Moskau bestellt deutschen Botschafter ein
Aus Protest gegen die Einweihung des maritimen Nato-Hauptquartiers in Rostock hat die russische Regierung den deutschen Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, einbestellt. Bei dem Termin am Dienstag im russischen Außenministerium sei dem Botschafter "entschiedener Protest" übermittelt worden, erklärte das Ministerium. Den russischen Vorwurf, Deutschland habe mit der Inbetriebnahme des Ostsee-Stützpunktes den Zwei-plus-vier-Vertrag verletzt, wies Lambsdorff nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin "in aller Klarheit" zurück.
Aus russischer Sicht verstößt die Inbetriebnahme des Nato-Hauptquartiers in Rostock gegen den Vertrag, der 1990 die deutsche Vereinigung international besiegelte. Er schließt die Stationierung von "Streitkräften anderer Staaten" auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aus. Die "Ausweitung militärischer Nato-Infrastruktur im ehemaligen Ostdeutschland wird die negativsten Folgen haben", warnte das russische Außenministerium.
Moskau habe diesbezüglich von Berlin "sofortige und umfassende Erklärungen verlangt". Die Eröffnung des Nato-Stützpunktes sei zudem ein weiterer Schritt bei der "schleichenden Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs und der Militarisierung des Landes", erklärte das Ministerium weiter.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin teilte indessen mit, Botschafter Lambsdorff habe deutlich gemacht, dass die Umwandlung des deutschen maritimen Führungsstabs in Rostock in das neue Nato-Ostseekommando "Commander Task Force Baltic" "im Einklang mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag" stehe. "Der Führungsstab in Rostock wird, wie auch in der Vergangenheit, sowohl aus deutschen Soldatinnen und Soldaten als auch aus ausländischen Austausch- und Verbindungsoffizieren bestehen", erklärte der Sprecher.
Das Auswärtige Amt argumentierte, dass die "Zuordnung von deutschen Streitkräfteverbänden unter die Strukturen der Nato" gemäß des Vertrags von 1990 "auch im Gebiet der damaligen DDR und Berlins ausdrücklich zulässig" sei.
In Rostock gehe es um eine "Einzelabstellung von Personal anderer Nato-Mitgliedstaaten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit", hieß es weiter aus dem Auswärtigen Amt. Hier würden "ausländische Austausch- und Verbindungsoffiziere in eine deutsche Dienststelle" integriert und stünden dort "unter der Führung der Bundeswehr". Eine solche Konstellation sei "nicht vom Zwei-plus-vier-Vertrag erfasst und somit möglich".
Von dem neuen Nato-Hauptquartier in Rostock aus sollen laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Lage im Ostseeraum überwacht und die Marineaktivitäten der Verbündeten organisiert werden. Die Sicherheit im Ostseeraum werde inzwischen "nahezu täglich durch Russland herausgefordert", sagte Pistorius bei der Einweihung.
Die russischen Luftstreitkräfte "provozieren und verletzen wissentlich unseren Luftraum und den unserer Partner", fügte er als Beispiel für die Bedrohung hinzu. Russische Forschungsschiffe bewegten sich häufig "verdächtig nah" an den "Knotenpunkten unserer Infrastruktur, an Pipelines, an Windparks".
Neben Deutschland sind nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums noch elf weitere Nationen personell am Hauptquartier "CTF Baltic" beteiligt: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen und Schweden. Das Hauptquartier wird durch den deutschen Admiral Stephan Haisch geführt - für zunächst vier Jahre. Danach soll das Kommando mit Polen und Schweden rotieren.
Im Ostseeraum stehen sich die Nato und Russland, das die Nato zum Feind erklärt hat, unmittelbar gegenüber. Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat das Gewicht des Bündnisses in der Region zum Ärger Russlands weiter erhöht.
P. Hansen--BTZ