
Paris und Brüssel offenbar sehr zufrieden über Berliner Einigung

Paris und Brüssel haben sich sehr zufrieden über die Fortschritte bei der deutschen Regierungsbildung geäußert. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte am Freitag in Paris, eine baldige Einigung von Union und SPD werde "von Europa und insbesondere Frankreich erwartet". EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lobte die vereinbarte Linie zur Europapolitik.
Macron nannte die Vereinbarung zwischen Union und SPD "ermutigend". Er sagte nach einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in Paris, sie sei "eine ehrgeizigere europäische Antwort" auf die Herausforderungen Europas als die gescheiterten Pläne der Jamaika-Sondierungspartner Union, FDP und Grüne. Macron hatte sich von Anfang an für eine neue große Koalition stark gemacht und SPD-Chef Martin Schulz zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Union aufgerufen. Die SPD unterstützt Macrons Pläne für eine "Neugründung" der Europäischen Union, die auch einen eigenen Haushalt für die Eurozone umfassen. Macron will damit unter anderem Krisenländern im Süden helfen und setzt zudem wie die SPD auf mehr Investitionen im Sozialbereich.
In dem endgültigen Sondierungspapier lässt sich die Handschrift der Sozialdemokraten bei der Europapolitik deutlich erkennen: Dort ist von einem "Rahmen für Mindestlohnregelungen sowie für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten" die Rede. Zum Thema Finanzen heißt es: "Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit."
Juncker zeigte sich bei einem Besuch in Bulgarien "vollumfänglich zufrieden" mit den Vereinbarungen. Er sagte, dies sei "ein sehr erheblicher, positiver, konstruktiver, zukunftsorientierter, zielführender Beitrag zur europapolitischen Debatte".
Der österreichische Kanzler Kurz sagte zu Deutschland: "Wir haben ein massives Interesse an stabilen politischen Verhältnissen dort." Ein gutes Voranschreiten der Koalitionsverhandlungen sei "gut für Deutschland, gut für Nachbarn wie Österreich und gut für die Europäische Union".
Der konservative ÖVP-Chef Kurz versuchte bei seinem Antrittsbesuch in Paris die Sorgen über seine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ zu zerstreuen. Er rief die EU auf, dem Bündnis "eine Chance zu geben" und die Koalition an ihren "Taten zu messen". Gegen die erste österreichische Regierung mit FPÖ-Beteiligung ab 2000 hatte die EU noch scharfe protestiert, Wien fand sich isoliert.
Macron sagte, er "bedauere" den wachsenden Einfluss von "Rechtsextremen" überall in Europa und bekämpfe sie in Frankreich. Er habe dies auch Kurz deutlich gemacht. "Wenn wir es schaffen, Europa voranzubringen, ist das die beste Antwort auf den Vormarsch der Extremen", sagte Macron, der Kurz vor der Presse demonstrativ siezte, während der Kanzler ihn duzte. Macron hatte sich bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Mai gegen die Vorsitzende der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, durchgesetzt.
Kurz wird kommende Woche Mittwoch in Berlin erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe dem "mit Freude entgegen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie werde mit ihm "auf Basis der Werte, die in Europa gelten" verhandeln, sagte Seibert unter Anspielung auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ.
(L. Solowjow--BTZ)