Trotz Warnungen vor Eskalation: Netanjahu kündigt erneut Reaktion Israels auf iranischen Angriff an
Trotz internationaler Warnungen vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut eine Reaktion seines Landes auf den jüngsten iranischen Raketenangriff angekündigt. "Israel hat die Pflicht und das Recht, sich zu verteidigen und auf diese Angriffe zu antworten - und das ist, was wir tun werden", sagte Netanjahu am Wochenende in einer Fernsehansprache. Der Iran traf Medienberichten zufolge bereits Vorbereitungen für einen weiteren Gegenangriff auf Israel. US-Präsident Joe Biden riet Israel von Angriffen auf Öl- und Atomanlagen ab. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump ermutigte Israel hingegen, iranische Atomanlagen anzugreifen.
Der Iran habe bereits zwei Mal hunderte Raketen auf das israelische Territorium abgefeuert, sagte Netanjahu bei seiner Fernsehansprache am späten Samstagabend. "Kein Land der Welt würde eine solche Attacke hinnehmen", betonte er.
Einige Stunden zuvor hatte ein israelischer Militärvertreter, der anonym bleiben wollte, mitgeteilt, dass die Armee derzeit ihre Reaktion auf den iranischen Raketenangriff vorbereite. Angaben zur Art und zum Zeitpunkt eines Vergeltungsangriffs machte er nicht.
Derweil traf die Führung in Teheran iranischen Medienberichten zufolge für den Fall eines israelischen Gegenangriffs bereits Vorbereitungen für einen weiteren iranischen Angriff auf Israel. Der "Plan für die notwendige Antwort auf eine mögliche Aktion" Israels sei "komplett fertig", berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim am Sonntag unter Berufung auf Militärkreise. "Wenn Israel handelt, wird der iranische Gegenangriff ausgeführt", zitierte das Medium Militärkreise.
Demnach verfügt der Iran über "eine Liste mit vielen israelischen Zielen". Der iranische Großangriff vom vergangenen Dienstag habe "gezeigt, dass wir jeden Punkt, den wir wollen, dem Erdboden gleichmachen können", hieß es in Militärkreisen laut Tasnim weiter. Am Samstag hatte bereits Irans Außenminister Abbas Aragtschi gewarnt, dass sein Land auf einen israelischen Angriff mit einer "noch stärkeren Reaktion" antworten werde.
Der Iran hatte Israel am Dienstagabend zum zweiten Mal binnen sechs Monaten direkt angegriffen. Nach Angaben der israelischen Armee konnte ein großer Teil der rund 200 iranischen Raketen abgefangen werden. Teheran reagierte damit nach eigenen Angaben auf die israelische Militäroffensive im Südlibanon gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz und die Tötung von deren Anführer Hassan Nasrallah.
Mit Blick auf eine israelische Reaktion sprach sich Ex-US-Präsident Trump anders als US-Präsident Biden für einen israelischen Angriff auf Irans Atomanlagen aus. Bidens Antwort auf eine Frage zu Israels möglicher Reaktion auf den iranischen Raketenangriff hätte "lauten müssen: zuerst das Nukleare treffen, und sich später um den Rest kümmern", sagte Trump am Freitag (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat North Carolina.
Biden hatte zuvor gesagt, dass Washington mit dem engen Verbündeten Israel über einen Angriff auf die iranischen Ölanlagen "im Gespräch" sei. Anschließend war der Ölpreis sprunghaft gestiegen. Biden riet danach der israelischen Regierung davon ab, die iranischen Öleinrichtungen anzugreifen, und forderte sie auf, "über andere Alternativen nachdenken". Einen Angriff auf iranische Atomanlagen hatte er bereits vorher abgelehnt.
Unterdessen besuchte der iranische Ölminister Mohsen Paknedschad am Sonntag demonstrativ eine Ölanlage auf der Insel Charg. "Wir haben keine Angst, dass unsere Feinde eine Krise anzetteln", betonte er. Auf der im Persischen Golf gelegenen Insel befindet sich das größte iranische Erdöl-Exportterminal.
Der Iran ist mit der schiitischen Hisbollah-Miliz wie auch mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verbündet. Die Hamas hatte vor genau einem Jahr, am 7. Oktober, einen Großangriff auf Israel verübt und damit den Gaza-Krieg ausgelöst.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel waren nach israelischen Angaben insgesamt 1205 Menschen getötet worden. Die Islamisten verschleppten auch 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Israel geht seit dem brutalen Großangriff massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher mehr als 41.800 Menschen getötet.
Die Hisbollah wiederum hatte unmittelbar nach dem Hamas-Angriff mit regelmäßigen Raketenangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Seit Mitte September geht Israel massiv auch gegen die Hisbollah im Libanon vor.
Ein Jahr nach dem Hamas-Angriff auf Israel unterstrich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Israels Recht auf Selbstverteidigung "gegen die Gewalt der Hamas genauso wie gegen den Raketen-Terror des Iran und der Hisbollah". Israels Sicherheit sei "Teil unserer Staatsräson", erklärte die Ministerin in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag".
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hingegen kritisierte das israelische Vorgehen gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon scharf. Er missbilligte am Samstag insbesondere den vor rund einer Woche gestarteten Bodeneinsatz der israelischen Armee im Libanon. Bereits zuvor hatte der französische Präsident für einen internationalen Lieferstopp von Waffen an Israel plädiert, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen - es folgte ein verbaler Schlagabtausch mit Netanjahu.
Israels Regierungschef sprach nach Macrons Äußerungen von "Schande". Israel kämpfe an mehreren Fronten gegen Gruppierungen, die vom Erzfeind Iran unterstützt würden, erklärte er. "Dennoch fordern Präsident Macron und andere westliche Führer jetzt ein Waffenembargo gegen Israel. Schande über sie." Macrons Büro bezeichnete Netanjahus Reaktion daraufhin seinerseits als "übertrieben". Frankreich sei ein "unerschütterlicher Freund Israels".
F. Dumont--BTZ