Nasrallah-Nachfolger mögliches Ziel von neuen israelischen Angriffen in Beirut
Israel hat die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon am Freitag mit neuen Luftangriffen auf den Süden von Beirut weiter unter Druck gesetzt. Berichten zufolge könnten die Angriffe auf Vororte der Hauptstadt dem voraussichtlichen Nachfolger des getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah gegolten haben. Kämpfer der Miliz beschossen indes eigenen Angaben zufolge israelische Soldaten im Grenzgebiet zu Israel. Die Bundesregierung flog angesichts der anhaltenden Kämpfe weitere Deutsche aus dem Libanon aus.
Wie das US-Nachrichtenportal "Axios" und das israelische Portal "Ynet" unter Berufung auf israelische Regierungsvertreter berichteten, richteten sich die Angriffe auf den Süden von Beirut eine Woche nach dem Tod Nasrallahs gegen dessen voraussichtlichen Nachfolger Haschem Safieddin. Die israelische Armee bestätigte die Berichte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht.
Unklar war auch, ob es bei den Angriffen im Süden von Beirut Tote gab. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte in einer allgemeinen Bilanz mit, innerhalb von 24 Stunden seien 37 Menschen bei israelischen Angriffen getötet worden.
Infolge der anhaltenden Bombardierungen stellten drei Krankenhäuser im Libanon ihren Betrieb ein, die waren das Sainte-Thérèse-Krankenhaus in einem der Vororte von Beirut sowie zwei Kliniken im Süden. Nach Angaben eines der Hisbollah nahestehenden Gesundheitsdienstes wurden bei Angriffen der israelischen Armee im Südlibanon am Freitag elf Rettungskräfte getötet.
Die Hisbollah-Miliz meldete ihrerseits Angriffe auf israelische Truppen im Grenzgebiet zum Nachbarland. Kämpfer hätten israelische Soldaten "während ihres Vormarsches" auf ein Gebiet westlich des libanesischen Dorfes Jarun "mit Artilleriegranaten und einer Raketensalve" beschossen, teilte die pro-iranische Miliz mit.
Bereits zuvor hatte die Hisbollah erklärt, im Gebiet der libanesischen Ortschaft Marun al-Ras unweit der Grenze auf israelische Soldaten geschossen zu haben. Zudem griff die Hisbollah am Freitag eigenen Angaben zufolge die israelischen Truppen auch jenseits der Grenze an.
Die vom Iran unterstützte Miliz hatte unmittelbar nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres mit regelmäßigen Raketenangriffen aus dem Libanon eine zweite Front gegen Israel eröffnet. In den vergangenen Tagen nahm der Hisbollah-Beschuss weiter zu - insbesondere nach der Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff.
Parallel zu seinen massiven Luftangriffen startete das israelische Militär zu Wochenbeginn eigenen Angaben zufolge einen "begrenzten Bodeneinsatz" im Süden des Libanon. Seitdem wurden laut israelischen Angaben insgesamt 250 Hisbollah-Kämpfer getötet. Zudem seien "mehr als 2000 militärische Ziele" getroffen worden.
Die Kämpfe haben offiziellen libanesischen Angaben zufolge mittlerweile hunderttausende Menschen innerhalb des Landes in die Flucht getrieben, mehr als 300.000 Menschen flohen nach Syrien. Nach libanesischen Angaben wurde am Freitag auch die Straße zum Grenzübergang Masnaa durch einen israelischen Luftangriff zerstört. Israels Armee erklärte, sie habe einen Tunnel in der Nähe des Grenzübergangs zwischen dem Libanon und Syrien bombardiert, um Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden.
Angesichts der anhaltenden Kämpfe evakuierte die Bundesregierung weitere Deutsche per Flugzeug aus dem Libanon. "Auch heute fliegt die Bundesregierung 219 besonders gefährdete Deutsche aus Libanon aus", erklärte das Auswärtige Amt am Freitag im Onlinedienst X. Schon am Montag und am Mittwoch waren bei zwei Evakuierungsflügen rund 240 Menschen aus ausgeflogen worden.
Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, schwor indes die Hisbollah und andere Verbündete Teherans auf eine Fortsetzung des Kampfes gegen Israel ein. Diese würden nicht vor Israel zurückweichen, sondern gewinnen, sagte er bei in einer Predigt während des Freitagsgebets in Teheran. Zudem rechtfertige Chamenei den jüngsten iranischen Raketenangriff auf Israel als "legal und legitim". Der Angriff sei die "Mindeststrafe" für Israel gewesen, betonte er.
Unter anderem als Reaktion auf die Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah hatte der Iran am Dienstagabend Israel zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate direkt mit Raketen angegriffen. Nach israelischen Angaben konnte ein großer Teil der rund 200 Geschosse aus dem Iran abgefangen werden. Israel drohte mit Vergeltung.
US-Präsident Joe Biden rief Israel dazu auf, keine iranischen Öl-Anlagen anzugreifen, sondern stattdessen über "andere Alternativen" nachzudenken. Schon am Donnerstag hatte Biden erklärt, dass es Gespräche über solche möglichen Angriffe geben würde, jedoch offen gelassen, ob er diesen zustimmen würde. Zuvor hatte der US-Präsident klargestellt, dass sein Land einen israelischen Angriff auf Atomanlagen im Iran nicht unterstützen würde.
Nach Bidens Einschätzung lässt sich ein umfassender Krieg in der Region immer noch vermeiden: "Ich glaube nicht, dass es einen umfassenden Krieg geben wird. Ich denke, wir können ihn vermeiden",versicherte der US-Präsident. Es gebe aber "noch viel zu tun".
A. Lefebvre--BTZ