Tusk: Polens PiS-Regierung bleibt nur wegen dem Geld in der EU
Polens Regierung könnte nach Einschätzung des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk versuchen, aus der Europäischen Union auszutreten, sollte das Land kein Nettoempfänger der EU mehr sein. In einem aktuell veröffentlichten Interview sagte Tusk, nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, das Interesse der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski an der EU beschränke sich auf die Zahlungsbilanz. Andere Vorteile wie der "gemeinsame Markt, die Rechtsordnung oder Sicherheitsgarantien" zählten für die Partei nicht.
"Solange wir keine Nettozahler sind, lohnt sich das Ganze für sie", sagte Polens ehemaliger liberaler Regierungschef. Sobald das Land aber Nettozahler werde, könnte die Regierung einen Volksentscheid über den EU-Austritt beschließen und die Bevölkerung auffordern, für ein Ausscheiden zu stimmen. Derzeit empfängt Polen mehr Geld aus der EU als es an sie zahlt. 2016 war es mit gut sieben Milliarden Euro der größte Nettoempfänger der EU.
Tusk bedauerte, dass Brüssel in der Frage der Maßnahmen im polnischen Justizbereich Artikel sieben des EU-Vertrages angewandt habe. Der Artikel sieht vor, dass einem Land bei schweren Vertragsverstößen im äußersten Fall auf EU-Ebene die Stimmrechte entzogen werden können. Tusk sagte, die Kaczynski-Partei könne die Krise im Verhältnis zur EU immer noch beilegen, indem sie Maßnahmen im Justizwesen zurücknehme.
Im übrigen entsprächen viele Entscheidungen der derzeitigen polnischen Regierung den "Interessen und Erwartungen Moskaus". Übereinstimmungen gebe es etwa in der "Haltung gegenüber der liberalen Demokratie, der Nichtregierungsorganisationen, zur Unabhängigkeit der Gerichte und der Medien, zu sexuellen Minderheiten". Allerdings gebe es in Brüssel immer noch eine "enorme Hoffnung", dass Polen trotz allem in der EU bleiben werde. Von "Vertrauen" wollte Tusk seinen eigenen Worten zufolge nicht sprechen - das sei "unglücklicherweise bereits verschwunden".
(D. Meier--BTZ)