Abkehr einer großen Koalition von Klimaziel ruft Kritik hervor
Eine mögliche Abkehr von Union und SPD vom nationalen deutschen Klimaziel für 2020 hat heftige Kritik von Grünen und Linken hervorgerufen. Die Zielmarke werde "zum ersten Opfer" einer erneuten großen Koalition, das sei "unfassbar verantwortungslos", kritisierte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Montag auf Twitter. Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin warf Union und SPD Wahlbetrug vor.
Auslöser war nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG ein Bericht, wonach sich Union und SPD in ihren Sondierungsgesprächen darauf verständigten, das bisherige Klimaziel der Bundesregierung aufzugeben, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern. Das gehe aus dem Ergebnispapier der Sondierungsfachgruppe Energie/Klimaschutz/Umwelt hervor.
"Wir werden ein Maßnahmenpaket vereinbaren, mit dem die Lücke so weit wie möglich geschlossen und das Ziel am Anfang der 2020er Jahre erreicht wird", heißt es demnach in dem Papier. Das 55-Prozent-Ziel für 2030 solle "unter Beachtung des Zieldreiecks Sauberkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit ohne Strukturbrüche erreicht werden".
Eine Bestätigung des Berichts durch die beteiligten Unterhändler lag zunächst nicht vor. Diese hatten eigentlich Stillschweigen vereinbart. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, die Papiere der Fachgruppen seien noch nicht endgültig beschlossen.
"Wird das 2020-Ziel tatsächlich aufgegeben, so bricht Bundeskanzlerin Angela Merkel klar ein zentrales Wahlversprechen", erklärte der Linken-Klimaexperte Beutin. Er warf auch SPD-Chef Martin Schulz vor, noch im Wahlkampf ein Festhalten an dem 40-Prozent-Ziel zugesichert zu haben.
Sollten sich Union und SPD tatsächlich davon verabschieden, käme besonders Merkel in Erklärungsnot. Die CDU-Vorsitzende hatte kurz vor der Bundestagswahl in einer Fernsehsendung auf die Frage einer Bürgerin gesagt: "Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten - das verspreche ich Ihnen."
In den Jamaika-Sondierungen hatte das Klimaziel für 2020 zu den großen Streitpunkten gezählt. Die FDP hatte es infrage gestellt, die Grünen wollten unbedingt daran festhalten. Auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatte sich dagegen ausgesprochen, sich von der Zielmarke zu verabschieden. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche stehen Union und SPD unter großem Druck, sich auf eine Koalition zu einigen.
Die Sondierungen von Union und SPD über eine Regierungsbildung hatten am Sonntag in der SPD-Zentrale begonnen, am Montag kamen die Verhandler im Konrad-Adenauer-Haus der CDU in Berlin zusammen. Die Gespräche sollen am Donnerstag abgeschlossen werden.
Im Kreis der Parteichefs kam am Montag die Europapolitik zur Sprache. "Europa wird ganz sicherlich eines der ganz großen Themen einer wie auch immer gearteten zukünftigen Bundesregierung sein müssen", sagte Schulz. Er hoffe, dass es in dem Gespräch mit Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer Ergebnisse gebe, die Deutschland "wieder zum Motor der Europapolitik" machten, sagte der frühere Präsident des Europaparlaments. In der EU wird derzeit über eine Reihe von Reformvorschlägen diskutiert, die Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sowie die Europäische Kommission vorgelegt hatten.
(C. Fournier--BTZ)