Kanzler Scholz schätzt das Buch von US-Vizekandidat J.D. Vance
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich beeindruckt vom schriftstellerischen Wirken von US-Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance gezeigt - lässt politisch aber Distanz erkennen. Scholz habe Vances autobiographisches Werk "Hillbilly Elegie" "vor geraumer Zeit gelesen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. "Er hat es sehr gemocht." Besonders beeindruckt habe den Kanzler die Darstellung des "Aufstiegswillens in einem Amerika, das von harten Herausforderungen gebeutelt" sei.
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar habe Scholz den US-Senator auf das Buch angesprochen, daraus habe sich dann ein kurzes Gespräch ergeben, sagte der Sprecher weiter.
Hebestreit fügte einschränkend hinzu: "Man muss immer den Autor und das Werk natürlich voneinander trennen und auch die politischen Positionen, die J.D. Vance als Senator von Ohio einnimmt." Kritikpunkte des Kanzlers wollte Hebestreit am Mittwoch nicht im einzelnen ausführen, er verwies aber auf ein Interview, das der Kanzler vor einem Jahr zu dem Thema gegeben hatte.
In dem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hatte Scholz gesagt, dass ihn das Buch von J.D. Vance zu Tränen gerührt habe - und hinzugefügt: "Es ist eine ganz berührende persönliche Geschichte, wie sich ein junger Mann mit schlechten Startbedingungen durchschlägt."
Allerdings attestierte der Kanzler dem Lebensweg von Vance auch eine "Tragik": "Von einem selbsterklärten konservativen Gegner Donald Trumps, der messerscharf die Ungerechtigkeiten der amerikanischen Gesellschaft analysiert und für sich nur mit Glück und seiner Militärlaufbahn einen Ausweg findet, scheint sich Vance nun zu einem feurigen Befürworter dieses Rechtspopulisten gewandelt zu haben, um dessen Unterstützung zu erhalten - und selbst Senator zu werden", kritisierte Scholz damals in dem Interview.
Das Buch "Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise" hatte Vance bekannt gemacht - noch vor seinem Einstieg in die Politik. Das Buch wurde später für den Streamingdienst Netflix verfilmt. Zum großen Erfolg des Buchs trug bei, dass es aus der Sicht vieler eine Erklärung dafür lieferte, wie sich die weiße Arbeiterklasse in abgehängten früheren Industrieregionen für Trump begeistern konnte.
Unumstritten war die "Hillbilly-Elegie" aber nicht. Manche Kritiker warfen Vance eine klischeehafte Darstellung der verarmten Bevölkerung in der Appalachen-Region vor, aus der die Familie seiner Mutter stammt.
S. Sokolow--BTZ