"Korruptionsprozess" gegen aus Berlin entführten Vietnamesen
In Hanoi hat am Montag der Korruptionsprozess gegen den mutmaßlich aus Berlin entführten Vietnamesen Trinh Xuan Thanh begonnen. Dem ehemaligen KP-Funktionär und früheren Chef eines staatlichen Erdölförderanlagen-Unternehmens werden Missmanagement und Unterschlagung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen ihm eine langjährige Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe. Neben Thanh mussten sich auch das ehemalige Politbüro-Mitglied Dinh La Thang und 20 weitere ranghohe Funktionäre vor Gericht verantworten.
Thanh, der in Deutschland Asyl beantragt hatte, soll Ende Juli vom vietnamesischen Geheimdienst in Berlin verschleppt und nach Vietnam gebracht worden sein. Der Fall löste eine Krise im diplomatischen Verhältnis beider Länder aus: Das Auswärtige Amt sprach von "Menschenraub" und "Entführung". Die vietnamesische Regierung bestreitet die Vorwürfe, sie betont, Thanh sei freiwillig zurückgekehrt, um sich dem Verfahren zu stellen. Die Bundesregierung hatte angekündigt, den Prozess beobachten zu wollen.
Die Staatsanwaltschaft macht Thang und Thanh für den Verlust von umgerechnet 4,3 Millionen Euro des staatlichen Unternehmens PetroVietnam Construction verantwortlich. Ihnen drohen wegen Missmanagement 20 Jahre Haft. Ex-Chef Thanh muss sich darüberhinaus wegen Unterschlagung verantworten, ihm droht die Todesstrafe. Für den Prozess wurden zwei Wochen veranschlagt.
Der plötzliche Sturz der ranghohen Funktionäre hat im autoritär regierten Vietnam für Überraschung gesorgt. Nach Angaben politischer Experten ist das Verfahren jedoch in erster Linie politisch motiviert: Zum einen wolle die Führung ihren Willen demonstrieren, gegen Korruption hart durchzugreifen, zum anderen nutze sie das Verfahren, um gegen politische Widersacher vorzugehen. Damit verfolge sie eine ähnliche Strategie wie die kommunistische Führung im benachbarten Peking.
Ein nach Singapur geflüchteter vietnamesischer Geheimdienstoffizier mit Hintergrundwissen zum Fall des aus Berlin verschleppten Thanh war vergangene Woche in sein Heimatland abgeschoben worden. Phan Van Anh Vu wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in Hanoi am Donnerstag festgenommen und wegen Verstoßes gegen das Einwanderungsgesetz in Singapur ausgeliefert worden, wie die vietnamesische Regierung mitteilte.
Die vietnamesische Polizei wirft dem 42-Jährigen den Verrat von Staatsgeheimnissen vor und schrieb ihn deshalb zur Fahndung aus. Vus Anwälte hatten die Aufnahme ihres Mandanten in Deutschland beantragt und davor gewarnt, dass ihm in Vietnam die Todesstrafe droht. Nach Angaben seines deutschen Verteidigers verfügt der 42-Jährige über "wertvolle Informationen" zur Verschleppung Thanhs aus Berlin "und darüber hinaus".
(S.Sokolow--BTZ)