Europa: Gabriel fordert machtbewusstere Verteidigung der Interessen
Der geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Europäische Union aufgefordert, ihre Interessen machtbewusster zu vertreten. Europa müsse "eine Machtprojektion entfalten", sagte Gabriel nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG, einem aktuellen Interview. "In einer Welt voller Fleischfresser haben es Vegetarier sehr schwer", kommentierte der SPD-Politiker über die seiner Meinung nach von Deutschland und Europa geübte Zurückhaltung bei der Vertretung eigener Interessen.
"Bisher definieren wir häufig europäische Werte, bei der Definition gemeinsamer Interessen sind wir viel zu schwach", kritisierte Gabriel. Er warnte zugleich davor, dass sich "der autoritäre Politikstil auch in die westliche Welt hineinfrisst" und sprach von einer "Ära der Konkurrenz zwischen demokratisch und autoritär verfassten Staaten". Europa werde seine Freiheit in Zukunft weit mehr verteidigen müssen als in der Vergangenheit, mahnte Gabriel hierzu an. Zugleich warnte er davor, sich für die europäische Sicherheit innerhalb der Nato zu sehr auf die USA zu verlassen.
Über die Europapolitik der großen Koalition äußerte sich der Außenminister rückblickend selbstkritisch. "Wir haben zu wenig auf Europa geachtet", sagte er. Die Koalition aus Union und SPD habe "ein Europakapitel geschrieben, bei dem sich die nationalökonomischen Vorstellungen Wolfgang Schäubles zu stark durchgesetzt haben", kritisierte Gabriel mit Blick auf den langjährigen Bundesfinanzminister Schäuble von der CDU.
Zu seiner persönlichen Zukunft als Außenminister äußerte Gabriel sich zurückhaltend. Auf die Frage, ob er das Amt bald loslassen müsse, antwortete er: "Es ist immer besser, man rechnet damit."
(A. Bogdanow--BTZ)