Iran: Staatsführung demonstriert mit Kundgebungen ihre Stärke
Nachdem die iranischen Revolutionsgarden das Ende der Protestwelle gegen die Führung des Landes erklärt haben, hat diese am Donnerstag ihre Anhänger erneut zu einer Demonstration der Stärke auf die Straßen gerufen. "Wir stehen geeint hinter dem Führer", Ayatollah Ali Chamenei, rief die Menge laut Bildern des Staatsfernsehens. Es zeigte große Menschenmengen in Isfahan, Ardebil und Maschhad, wo die regierungskritischen Proteste vor einer Woche begonnen hatten.
Bereits am Mittwoch waren zehntausende Regierungsanhänger in rund 20 Städten des Landes zur Unterstützung der Führung auf die Straße gegangen. Der Kommandeur der Revolutionsgarden Mohammed Ali Dschafari verkündete das Ende des "Aufruhrs"; damit meinte er die regierungskritischen Proteste, bei denen seit dem 28. Dezember 21 Menschen getötet worden waren, darunter mehrere Sicherheitskräfte.
Die tagelangen Proteste richteten sich gegen wirtschaftliche Missstände wie die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten, aber auch gegen die Außenpolitik der Regierung und das klerikale System an sich. Die Frustration der zumeist jungen Demonstranten über die wirtschaftliche Situation entlud sich teilweise in Angriffen auf Banken und Behörden.
Nachdem es in der Nacht zu Dienstag bei Ausschreitungen in der zentralen Region Isfahan zehn Tote gegeben hatte, ließen die Proteste nach. Am Donnerstag gab es in den Medien keine Berichte über neue Proteste, und in den sozialen Netzwerken fanden sich nur vereinzelt Videos zu Demonstrationen in Provinzstädten, die zunächst nicht überprüft werden konnten.
Chamenei machte die "Feinde" des Landes für die Proteste verantwortlich, Präsident Hassan Ruhani bezichtigte die oppositionellen Volksmudschahedin, die offenbar maßgeblich über den Kurzmitteilungsdienst Telegram organisierten Proteste angestachelt zu haben. Telegram blieb ebenso wie die Fotoplattform Instagram weiter gesperrt. Laut Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli nahmen insgesamt lediglich 42.000 Menschen an den landesweiten Protesten teil. Die Revolutionsgarden hatten am Vortag sogar von nur 15.000 Teilnehmern gesprochen. Laut dem Rat zur Koordination der Banken wurden allein in der westlichen Provinz Lorestan 45 Banken und 43 Bankautomaten beschädigt.
Nachdem sich US-Präsident Donald Trump wiederholt hinter die Proteste gestellt hatte, warf der Iran den USA in einer Beschwerde an den UN-Sicherheitsrat und UN-Generalsekretär Antonio Guterres Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Washington habe durch seine "grotesken" Versuche der Einflussnahme gegen internationales Recht verstoßen, hieß es.
Trump hatte den Iranern Unterstützung "zur geeigneten Zeit" zugesagt, um sich ihre Regierung "zurückzuholen". Das Weiße Haus erklärte zudem, es prüfe weitere Sanktionen gegen den Iran wegen der Niederschlagung der Proteste. Russlands Vize-Außenminister Sergej Ryabkow warnte die USA "vor jedem Versuch zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Iran.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte seinerseits Verständnis für die Proteste. Es sei klar, "dass die Unzufriedenheit in Iran Gründe hat, wirtschaftliche und politische Gründe", sagte Gabriel nach Information von BERLINER TAGESZEUTUNG, in einem aktuellen Interview. Wenn sich der Iran nicht in der Region "weit friedfertiger" verhalte, könne es auch nicht "mehr internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit" geben. Konservative wie Reformer haben die Ausschreitungen verurteilt, doch gibt es Appelle, auf die Anliegen der Demonstranten einzugehen. Insbesondere wird gefordert, auf die Kürzung von Subventionen für Bedürftige und die Erhöhung des Benzinpreises zu verzichten. Diese Maßnahmen sind in der Bevölkerung besonders unbeliebt, da sie gerade die Schwächsten hart treffen werden.
Kritiker werfen Präsident Ruhani seit langem vor, bei seiner Sparpolitik keine Rücksicht auf die Schwächsten zu nehmen und das Thema der sozialen Gerechtigkeit zu vernachlässigen. Zwar sind seit der Aufhebung der internationalen Sanktionen infolge des Atomabkommens von 2015 die Ölexporte deutlich gestiegen, doch kommen die Einnahmen daraus beim Volk kaum an.
(H. Müller--BTZ)