Berlin: Jusos warnen SPD-Führung vor einer neuen "GroKo"
Vor den in anderthalb Wochen beginnenden Sondierungsgesprächen haben die Jusos in der SPD erneut vor einer großen Koalition gewarnt. Auch Parteivize Malu Dreyer bekräftigte ihre Skepsis gegenüber einer Neuauflage des Bündnisses mit CDU/CSU. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider warnte dagegen vor einer voreiligen Absage an die große Koalition. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte von der neuen Regierung Steuererhöhungen und setzt dabei auf die SPD.
Juso-Chef Kevin Kühnert sieht im Falle einer erneuten großen Koalition die Existenz der SPD bedroht. Die "vernichtende" Niederlage bei der Bundestagswahl sei auch darauf zurückzuführen, dass die SPD "seit den Zeiten der Agenda-Politik nicht geklärt hat, was für eine Partei sie eigentlich sein will", schrieb Kühnert in einem Gastbeitrag - nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. Diese Antwort müsse der begonnene Erneuerungsprozess nun liefern. "Andernfalls, das zeigt der Blick auf die sozialdemokratische Parteienfamilie in Europa, gibt es für sie keine Bestandsgarantie", mahnte Kühnert. Die SPD-Führung solle jegliche Form der Regierungsbeteiligung ausschließen, forderte er.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer sagte gegenüber Medienvertretern: "Ich habe eine klare Präferenz für die Minderheitsregierung." Es gehe jetzt um die Frage, welche Inhalte mit CDU/CSU machbar seien und ob diese für eine verbindliche Koalition reichten, sagte Dreyer. Wenn nicht, sehe sich ihre Partei dennoch in der Pflicht, für "eine stabile Regierung mitzusorgen". "Dann wäre das mit einer Minderheitsregierung möglich."
Dreyer mahnte die Parteiführung, die Zweifel an der SPD-Basis ernst zu nehmen. "Wir brauchen sehr gute Inhalte, wenn wir dem Bundesparteitag wirklich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen sollten."
Union und SPD gehen am 7. Januar in die Sondierung. Während CDU/CSU auf eine "stabile Regierung" pochen und damit eine erneute große Koalition meinen, ist ein solches Bündnis in der SPD weiter umstritten. Das Ergebnis der Sondierungen soll am 12. Januar vorliegen. Auf einem Sonderparteitag am 21. Januar wollen die Sozialdemokraten dann über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Schneider sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interview: "Ich finde, die SPD sollte immer anstreben, auch zu regieren und Deutschland ein Stück besser zu machen." Entscheidend sei aber, dass die SPD ihre Inhalte durchsetzen könne und sich der Stil des Regierungsbündnisses ändere. Eine Regierungsbeteiligung der SPD müsse "schon eine wirkliche Verbesserung für die Leistungsträger des Alltags mit sich bringen".
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte hierzu, die neue Regierung müsse die Vermögensteuer wieder einführen und die pauschale Abgeltungssteuer für Kapitalerträge abschaffen. "Wer mehr Verteilungsgerechtigkeit will, muss sich an Steuererhöhungen herantrauen." Unternehmer und Vermögende müssten sich mehr als bisher an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur beteiligen.
Zudem müssten Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für Zukunftsinvestitionen verwendet werden. Eine Abschaffung des Soli wäre eine Steuersenkung für Gutverdiener, sagte Körzell. Aus Sicht des DGB gehe nur das Steuerkonzept der SPD in die richtige Richtung. CDU und CSU wollten "denen noch mehr geben, die ohnehin schon genug haben", kritisierte Körzell.
(H. Müller--BTZ)