Deutsche Journalistin Tolu kommt unter Auflagen aus Haft frei
Die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu kommt unter Auflagen frei. Wie ihre Anwälte am Montag erklärten, folgte ein Gericht in Istanbul dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Freilassung. Die 33-Jährige müsse sich aber wöchentlich bei den Behörden melden und dürfe das Land nicht verlassen, teilte die Linken-Bundestagsabgeordnete und Prozessbeobachterin Heike Hänsel mit. Die Bundesregierung fordert eine bedingungslose Freilassung der Deutschen.
Am späten Nachmittag sollte Tolu, der unter anderem "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" vorgeworfen wird, das Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy verlassen dürfen. Dort war sie seit ihrer Festnahme in ihrer Istanbuler Wohnung Ende April inhaftiert - zeitweise zusammen mit ihrem kleinen Sohn. Auch fünf Mitangeklagte von Tolu sollen nach Angaben ihrer Anwälte unter Auflagen freikommen. Tolu verfolgte das Verfahren im Gerichtssaal bis zur Bekanntgabe ihrer Freilassung ganz ruhig. Danach sprang sie auf, sie und die anderen Mitgefangenen umarmten sich, wie Hänsel berichtete. Im Gerichtssaal anwesend waren auch der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, der Journalist und Autor Günter Wallraff, und Tolus ebenfalls angeklagter türkischer Ehemann Suat Corlu, der Ende November gegen Auflagen aus der Haft entlassen worden war.
Tolu war in der Türkei als Journalistin und Übersetzerin für die linksgerichtete Nachrichtenagentur ETHA tätig. Sie muss sich wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" und "Terrorpropaganda" verantworten. Die Neu-Ulmerin wird beschuldigt, der in der Türkei verbotenen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MKLP) anzugehören. Bei einer Verurteilung drohen ihr 15 Jahre Haft. Bereits zum Auftakt ihres Prozesses im Oktober hatte sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete Tolus Freilassung als "eine einerseits gute Nachricht". Andererseits dürfe Tolu das Land nicht verlassen, und auch der Prozess werde weitergeführt. Deshalb sei es "keine komplett gute Nachricht".
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Ich glaube, wir alle in Deutschland - und auch ich persönlich - freuen uns mit Mesale Tolu über die Entscheidung des Gerichts." Damit sei das Verfahren gegen sie zwar noch nicht beendet, "aber ein erster, großer Schritt ist damit gemacht".
Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer "sehr erfreulichen" Nachricht. Besorgt äußerte sich die Regierung allerdings wegen eines gegen Tolu verhängten Ausreiseverbots und weiterer Auflagen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts fügte hinzu, die Bundesregierung setze sich weiter dafür ein, dass das Verfahren "ganz zu Ende geht". Aus dem Auswärtigen Amt wurde zugleich darauf hingewiesen, dass sich weiterhin deutsche Bürger "unter haarsträubenden Vorwürfen in türkischer Haft" befänden, darunter der Korrespondent Deniz Yücel. Nach Angaben des Amts gibt es derzeit 28 Fälle von Deutschen in der Türkei, die das Land nicht verlassen dürfen. In vielen dieser Fälle geht es um politische Vorwürfe, die von deutscher Seite als unberechtigt eingestuft werden.
In Haft in der Türkei befinden sich aus politischen Gründen neben Tolu noch acht Deutsche. Im Oktober waren der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner sowie eine namentlich nicht bekannte Deutsche aus der Haft entlassen worden. Die Fälle belasten seit Monaten die deutsch-türkischen Beziehungen schwer. Der Prozess gegen Tolu wird am 26. April 2018 fortgesetzt.
(C. Fournier--BTZ)