GroKo: SPD und Union fordern gegenseitig Zugeständnisse
Vor dem Beginn ihrer Sondierungsgespräche über eine Regierungsbildung haben sich SPD und Union gegenseitig zu Zugeständnissen aufgefordert. SPD-Politiker drängten dabei besonders auf die Einführung der Bürgerversicherung, was die Union ablehnt. Zudem wurden aus der SPD erneut grundsätzlich skeptische Stimmen zu einer neuen großen Koalition laut.
"Wir ziehen keine roten Linien, aber ohne konkrete Verbesserungen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik ist es unvorstellbar, dass ein Parteitag grünes Licht für weitere Gespräche gibt", sagte der SPD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek in einem Interview. "Ein paar nette Überschriften" reichten nicht aus. "Ohne die SPD geht gar nichts", hob der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hervor. In der "Welt am Sonntag" drängte er auf "milliardenschwere Anreize und Programme für Wohnungsbau". Zudem forderte Weil ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin. "Wollen wir dauerhaft zulassen, dass die einen drei Stunden und die anderen zehn Minuten im Wartezimmer sitzen?", fragte er. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach pochte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interview, erneut auf die Einführung einer Bürgerversicherung.
Gegen zu viele Zugeständnisse an die SPD wandte sich CDU-Vize Julia Klöckner. "Wir liegen über zwölf Prozentpunkte vor der SPD und das muss sich auch in den Ergebnissen dann wiederfinden", erinnerte sie gegenüber Journalisten an das Ergebnis der Bundestagswahl.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, warnte die SPD im Deutschlandfunk davor, jetzt ihre "ganzen alten Kamellen aus der Mottenkiste" herauszuholen und verwies dabei auch auf die Bürgerversicherung. Zugleich lehnte Dobrindt seinerseits Zugeständnisse beim Familiennachzug für Flüchtlinge ab.
Die thüringische SPD sprach sich auf ihrem Landesparteitag am Samstag in Erfurt gegen den Eintritt in eine große Koalition auf Bundesebene aus. Auch Groschek warnte seine Partei davor, sich zu sehr auf diese Option einzustellen. "Wenn wir uns an die Rolle des Juniorpartners gewöhnen, enden wir als Wackeldackel", warnte er gegenüber Medienvertretern. Vorsichtig äußerte sich der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. "Wir behalten uns alle Varianten offen und auch die Variante Neuwahl steht im Raum", sagte er hierzu.
Sowohl Klöckner als auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) pochten dagegen auf die Bildung einer festen Koalition und erteilten Überlegungen für eine Minderheitsregierung erneut eine Absage. Das Land brauche "in den nächsten Jahren eine Regierung auf einer absolut verlässlichen Basis", mahnte Kauder nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG in einem aktuellen Interview. Auch Dobrindt wandte sich gegen eine "Patchwork-Koalition".
Der SPD-Vorstand hatte am Freitag grünes Licht für Sondierungsgespräche mit der Union gegeben. Dabei ließen die Sozialdemokraten offen, ob die Gespräche in eine Koalition münden sollen oder in eine lockere Form der Kooperation. Für Mittwoch ist ein weiteres Spitzengespräch der Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD geplant, die eigentlichen Sondierungen dürften Anfang Januar beginnen.
Voraussichtlich am 14. Januar will die SPD auf einem Sonderparteitag über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden. Diesen Termin kritisierte Juso-Chef Kevin Kühnert allerdings als verfrüht.
(O. Joergensen--BTZ)