Asyl: Streit über Flüchtlingsquoten spaltet EU-Mitglieder
Im Streit um Aufnahmequoten für Asylanten bleiben die Fronten in der Europäischen Union (EU) verhärtet. Die Beratungen der Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel in Brüssel ließen die Spaltung am Donnerstagabend abermals klar zutage treten: Auf der einen Seite standen mehrere osteuropäische Länder, die sich weiter der Aufnahme von Flüchtlingen verweigern. Auf der anderen Seite standen die restlichen EU-Staaten, die auf der Umsetzung des Mehrheitsbeschlusses beharren.
"Hier haben wir noch ein großes Stück Arbeit zu tun", bilanzierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Ergebnis der mehrstündigen Beratungen, die sich bis nach Mitternacht hinzogen. Die Standpunkte der Mitgliedstaaten in der Frage hätten sich "auch nicht verändert". Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPD) warnte vor einem Fiasko für die Union: Es wäre eine "absolute Kapitulation", wenn eine europäische Lösung für die Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen scheitern sollte.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte zeigte sich verärgert über den Versuch der Osteuropäer, sich dem Mehrheitsbeschluss der EU zu entziehen. "Wenn man das zulässt, wird die EU zu einem Laden, in dem jeder kauft, was ihm passt." Seine Kritik zielte insbesondere auf Ungarns Ministerpräsident Victor Orban: "Was Orban hier macht, ist eine Schande."
Die EU-Staaten streiten seit Jahren über Flüchtlingsquoten. Mehrere osteuropäische Länder wie Ungarn, Polen und Tschechien weigern sich, einen Beschluss von 2005 umzusetzen, 120.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf alle EU-Länder zu verteilen.
Der Streit um die Quoten blockiert seit Monaten die Reform des europäischen Asylsystems. Denn dieses Reformvorhaben sieht bislang einen permanenten Umverteilungsmechanismus für solche Fälle vor, in denen die Hauptankunftsländer überlastet sind.
Die EU hat sich noch bis Juni Zeit gegeben, um die Reform zu verabschieden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte in der Frage vergangene Woche erneut mit einem Mehrheitsbeschluss gedroht, wodurch sich die EU-Mehrheit über den Widerstand der Osteuropäer hinwegsetzen könnte. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte beim Gipfel: "Wenn wir es nicht schaffen, uns per Konsens zu einigen, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir uns per Mehrheit einigen."
Bereits vor dem Gipfel hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk in einem Arbeitspapier den Anstoß für die erhitzte Debatte geliefert: Die seit Jahren umstrittenen Flüchtlingsquoten sind seiner Ansicht nach "höchst spaltend" und "unwirksam". Unterstützung für diese Einschätzung bekam er in Brüssel unter anderem von Ungarn, Polen und Tschechien.
Merkel machte indes ihr Missfallen zur Position des Ratspräsidenten deutlich. Sie kritisierte Tusks Papier zur Migrationspolitik als "noch nicht ausreichend". Der von Tusk priorisierte Schutz der Außengrenzen sei zwar wichtig, "aber wir brauchen auch Solidarität nach innen". Einig zeigte sich der Gipfel in der Haltung gegenüber Russland: Die EU-Chefs gaben grünes Licht für eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen wegen der Ukraine-Krise. Diplomaten zufolge sollen die Strafmaßnahmen weitere sechs Monate bis Ende Juli kommenden Jahres in Kraft bleiben. Das formelle Verfahren zur Verlängerung soll kommende Woche starten.
Die Sanktionen richten sich unter anderem gegen russische Staatsbanken und die wichtige russische Öl- und Gasindustrie. Sie sind seit 2014 in Kraft und laufen bisher noch bis Ende Januar.
Am Freitag soll der EU-Gipfel über die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion beraten. Danach soll der Gipfel grünes Licht für die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen geben. Dann soll es um das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit gehen. May rief die EU-Partner in einer Rede beim Gipfel-Dinner zu einem raschen Fortgang der Gespräche auf. Sie sprach von einer "sehr guten Diskussion".
(D. Meier--BTZ)