USA: Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels - Wut und Jubel
Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, mit der jahrzehntelangen Nahostpolitik seines Landes zu brechen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat unter Palästinensern Wut und Empörung ausgelöst und in Israel Jubel über einen "historischen Tag". Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach den USA am Mittwoch ihre Vermittlerrolle im Nahostkonflikt ab. Die EU zeigte sich "zutiefst besorgt", die Bundesregierung distanzierte sich von der Haltung der USA.
Trump wies das US-Außenministerium an, sofort mit den Vorbereitungen für den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen, wie er in einer Ansprache im Weißen Haus mitteilte. Der US-Präsident sprach von einem "lange überfälligen" Beschluss. Israel habe wie jeder andere souveräne Staat das Recht, selber über den Sitz seiner Hauptstadt zu entscheiden.
Trumps Entscheidung hatte bereits im Vorfeld Ängste vor einem neuen Flächenbrand in Nahost ausgelöst. Sie stellt einen beispiellosen Tabu-Bruch dar. Der endgültige Status von Jerusalem ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und dann 1980 annektieren Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. In der internationalen Gemeinschaft herrschte bislang Konsens darüber, dass der Status der Stadt in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zu klären ist.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer "mutigen und gerechten Entscheidung" und einem "historischen Tag". Im kalten und regnerischen Jerusalem blieb es am Abend ruhig, Anzeichen für Proteste gab es nicht. Die Behörden projizierten im Bereich der Jerusalemer Altstadt eine US-Flagge an die Wände.
Im Gazastreifen protestierten am Abend mehrere tausend Menschen gegen die US-Entscheidung. Sie verbrannten Flaggen der USA und Israels und sangen Parolen wie "Tod für Amerika" oder "Tod für Israel". Im von Israel besetzten Westjordanland waren für Donnerstag Demonstrationen angekündigt.
Abbas sagte am Abend im palästinensischen Fernsehen, "diese beklagenswerten und unannehmbaren Maßnahmen" würden "bewusst alle Friedensbemühungen" untergraben. Damit gebe Washington seine "Rolle als Förderer des Friedensprozesses" auf, den es im vergangenen Jahrzehnt innegehabt habe. Auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) kritisierte, dass die USA sich nun für jede vermittelnde Rolle im Nahost-Konflikt "disqualifiziert" hätten. Trump habe "die Zwei-Staaten-Lösung zerstört", sagte PLO-Generalsekretär Sajeb Erakat. Damit ist die friedliche Koexistenz eines Palästinenserstaats mit Israel am Ende eines Friedensprozesses gemeint.
Die radikale Palästinenserorganisation Hamas warnte, dass Trump den eigenen US-Interessen schade und für sein Land "das Tor zur Hölle" aufgestoßen habe. Die Hamas hatte bereits vor Trumps Rede mit einem neuen Palästinenseraufstand, der dritten Intifada, gedroht.
Trump rief unterdessen alle Seiten zu "Ruhe" und "Zurückhaltung" auf. Er betonte, dass er mit seiner Entscheidung das Engagement seines Landes für einen "dauerhaften Frieden" in Nahost nicht in Frage stelle, und kündigte an, dass Vizepräsident Mike Pence schon in den nächsten Tagen nach Nahost reisen werde.
Ein US-Regierungsvertreter hatte im Vorfeld der Rede gesagt, dass bis zum Umzug der Botschaft noch "einige Jahre" vergehen würden, da in Jerusalem ein geeigneter, sicherer Standort gefunden und eingerichtet werden müsse. Kein einziger Staat hat bisher seine Botschaft in Jerusalem, sie alle sind in Tel Aviv angesiedelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zu der US-Entscheidung. "Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln ist", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte auf Twitter, der Status von Jerusalem müsse "von Beteiligten vor Ort geklärt werden". Es solle keine Lösung vorweggenommen werden.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte in Brüssel, die Europäische Union sei "zutiefst besorgt" über die Ankündigung des US-Präsidenten und "die Auswirkungen, die diese auf die Friedensperspektiven haben kann".
(C. Fournier--BTZ)