London: May für Übergangsphase nach Brexit im März 2019
Die britische Premierministerin Theresa May hat versucht, etwas mehr Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über den EU-Austritt ihres Landes zu bringen. Sie kündigte aktuell in Florenz (Italien) an, britische Gerichte könnten bei Streitigkeiten über die Rechte von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs "berücksichtigen". Zudem plädierte die britische Premierministerin für eine zweijährigen Übergangsphase für den beiderseitigen Marktzugang nach dem Brexit im März 2019.
Innerhalb der Übergangsphase sollen britische Unternehmen nach Mays Vorstellungen Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben und umgekehrt EU-Unternehmen zum britischen Markt. Die Premierministerin sicherte zugleich zu, London werde seine finanziellen Verpflichtungen aus der EU-Mitgliedschaft bis 2020 erfüllen. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron stellte nach der Rede "Fortschritte" fest. Es gebe "Signale" seitens Mays, die "einen Willen zeigen" etwas zu bewegen, sagte Macron am Freitagabend vor der Presse. Er wolle aber die Bewertung der Rede dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier überlassen, dessen Reaktion zuvor bereits grundsätzlich positiv ausgefallen war.
Zugleich kritisierte Macron, dass in zentralen Fragen weiter Unklarheit herrsche. Das betreffe vor allem die künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die Finanzforderungen an London und den Status Nordirlands. "Wenn diese drei Punkte nicht geklärt werden, können wir beim Rest nicht vorankommen", sagte Macron.
Barnier sprach nach Mays Rede von einem "konstruktiven Geist" und dem "Willen voranzukommen". Die Äußerungen der Regierungschefin zu den künftigen Rechten der EU-Bürger seien "ein Schritt vorwärts". Sie müssten nun aber in eine "präzise Verhandlungsposition" Londons übertragen werden.
In der Finanzfrage verwies Barnier darauf, dass London nun anerkenne, "dass kein Mitgliedstaat wegen des Brexits mehr zahlen muss oder weniger erhalten soll". Die EU sei bereit, "die konkreten Auswirkungen dieses Versprechens zu diskutieren".
Tatsächlich nannte May keine konkrete Summe. Medien hatten zuvor über ein mögliches Angebot von mindestens 20 Milliarden Euro berichtet. Der Betrag für die Austrittsrechnung wird in Brüssel deutlich höher geschätzt. EU-Vertreter gehen von 60 bis 100 Milliarden Euro aus.
Mit Blick auf die von May vorgeschlagene Übergangsphase erklärte Barnier, "dieser neue Wunsch" könne von der EU geprüft werden. Grundlage müssten aber die Leitlinien der EU-Staats- und Regierungschefs zum Brexit vom April 2017 sein. Darin heißt es, dass während einer möglichen Übergangszeit bestehende rechtliche und finanzielle Vorgaben der EU angewendet werden müssen.
Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, der Liberale Guy Verhofstadt, erklärte, die britische Position scheine "realistischer zu werden". Die Aufsicht des Europäischen Gerichtshofs müsse für die gesamte Übergangsperiode gelten. Am Schutz der Rechte für die EU-Bürger in Großbritannien seien keinerlei Zweifel erlaubt. Auch in der Finanzfrage blieben wichtige Fragen offen. Aus dem Europaparlament kam ansonsten fast ausschließlich Kritik. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, Mays Rede habe "nicht mehr Klarheit" gebracht. Er sei jetzt "sogar besorgter."
Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen erklärte, nach der Rede sei ausgeschlossen, dass die EU schon im Oktober grünes Licht für Verhandlungen über die künftigen Beziehungen geben könne. Auch der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer fand, die Premierministerin sei "deutlich zu kurz gesprungen". Der Mays Tories angehörende Europaabgeordnete Syed Kamall sprach dagegen von einem "entscheidenden Schritt, um ein endgültiges Brexit-Abkommen zu gestalten".
Brüssel und London verhandeln seit Juni diesen Jahres 2017 - über eine Vereinbarung für den Brexit im März 2019. Die Gespräche haben allerdings bisher kaum Fortschritte gebracht.
(T. Jones--BTZ)