Hamburg: Deutschland ist entsetzt über asoziale Zerstörungswut
Es ist bundesweites Entsetzen über geradezu asoziale Zerstörungswut und massive Gewalt - mit stundenlangen schweren Ausschreitungen militanter Autonomer im Schanzenviertel erreichten die Proteste am G20-Gipfel in der Hansestadt Hamburg einen traurigen Höhepunkt. Politiker aller Parteien reagierten entsetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die "entfesselte Gewalt und ungehemmte Brutalität" und versprach den Opfern von Brandstiftungen und Plünderungen unbürokratische Entschädigung des Bundes.
Im Schanzenviertel ging die Polizei in der Nacht nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot gegen etwa 1500 militante G20-Gegner vor, die brennende Barrikaden errichtet, Läden verwüstet und Einsatzkräfte attackiert hatten. Weil sich Randalierer auf Hausdächern mit Gehwegplatten, Molotowcocktails und Präzisionsschleudern bewaffnet hätten, seien Einsatzhundertschaften und Wasserwerfer unter dem Schutz schwerbewaffneter Spezialeinsatzkräfte vorgerückt. Diese stürmten ein Haus und sicherten Dächer.
Seit Donnerstagabend kam es in Hamburg zu schweren Ausschreitungen, Sachbeschädigungen sowie Zusammenstößen zwischen Gipfelgegnern und Polizisten. Nach aktuellen Erkenntnissen der Polizei wurden 213 Beamte verletzt, es gab außerdem mehr als 160 Fest- und Ingewahrsamnahmen. Randalierer zündeten in verschiedenen Stadtvierteln Autos an, beschädigten Häuser und Geschäfte. Zudem attackierten sie Beamte und Polizeiwagen. Teils warfen sie Molotowcocktails.
Am zweiten Gipfeltag am Samstag versammelten sich in Hamburg noch einmal mehrere zehntausende G20-Kritiker zu einer Großdemonstration unter dem Motto "Grenzenlose Solidarität statt G20". Laut Polizei beteiligten sich rund 50.000 Menschen an der von dem Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldeten Versammlung, zu der ein breites Initiativenbündnis aufgerufen hatte. Die globalisierungskritische Organisation Attac sprach von etwa 76.000 Teilnehmern und "buntem" Protest.
Nach Angaben der Behörden bestand bei und nach der Demonstration das Risiko weiterer Krawalle. Demnach waren Vertreter gewaltbereiter linker Gruppen in die Organisation eingebunden. Zugleich demonstrierten in der Hansestadt am Samstag Tausende friedlich gegen den Gipfel. An einem Protestmarsch der bürgerlichen Initiative Haltung.Hamburg beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 5000 Teilnehmer. Die Initiative wird unter anderem von Unternehmern, Kirchenvertretern, Sportlern und Kulturschaffenden unterstützt.
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) rechtfertigte die Einsatzstrategie der Polizei im Schanzenviertel, wo die Beamten in der Nacht zuvor erst nach längerem Abwarten vorgerückt waren. Spezialkräfte hätten zunächst Dächer sichern müssen, sagte er. Täter hätten "schwersten Straftaten" gegen Polizisten geplant, für diese habe "Gefahr schwerer Verletzungen und mehr" bestanden.
Opfer der Krawalle würden "schnellstmöglich und unbürokratisch" entschädigt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gemeinsam mit Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) traf sie nach Abschluss des Gipfels zudem mit ausgewählten Einsatzkräften zusammen, um diesen zu danken. Politiker aller Parteien verurteilte die Krawalle. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von organisierten "Mordbrennern". Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) forderten ein konsequentes Vorgehen gegen die Täter.
Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir erklärten, derartige Taten seien "weder revolutionär noch systemkritisch", sondern "schlicht kriminell, gemeingefährlich und verantwortungslos". Die Linken-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft reagierte "entsetzt und fassungslos". Die Täter wollten "zerstören, ohne Rücksicht auf Gesundheit und Leben anderer".
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Ernst Walter, forderte, angesichts der Krawalle müsse über die Ausrüstung der Polizei mit "alternativen Distanzwaffen" etwa mit Gummigeschossen nachgedacht werden - was bei derartig brutaler Zerstörungswut - mehr als nur Sinn machen würde!
(D. Wassiljew--BTZ)