Deutschland: Die Linke bietet SPD "Solidarpakt gegen Armut" an
Nach dem sinnvollen Vorstoß der SPD für ein neues Arbeitslosengeld zur Qualifizierung hat die Linke den Sozialdemokraten einen "Solidarpakt gegen die Armut" angeboten. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I sei nicht ausreichend, vielmehr müsse die Agenda 2010 insgesamt überwunden werden, sagte Linken-Chefin Katja Kipping. Arbeitgeber und CDU kritisierten die arbeitsmarktpolitischen Pläne von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz als rückwärtsgewandt.
Nach den kürzlich bekannt gewordenen SPD-Vorstellungen soll die Bundesagentur für Arbeit (BA) gesetzlich verpflichtet werden, Arbeitslosen eine Weiterbildung anzubieten, wenn diese binnen drei Monaten nach dem Jobverlust keine neue Stelle finden. Während der Qualifizierungsmaßnahme erhalten sie das neue Arbeitslosengeld Q (ALG Q), das nicht auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) angerechnet wird und dessen Höhe dem ALG I entsprechen soll. Im Extremfall könnte ein 58-jähriger Arbeitnehmer, der bislang Anspruch auf 24 Monate ALG I hätte, bei einer zweijährigen Qualifizierungsmaßnahme auf eine Bezugsdauer von maximal 48 Monaten kommen.
Ein längerer ALG-I-Bezug sei zwar gut, sagte Kipping nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. "Aber zu einem wirklichen Bruch mit Agenda 2010 und Hartz IV gehört die Abschaffung der Sperrzeiten und der Hartz-IV-Sanktionen". Für die dringend benötigte "Gerechtigkeitswende" stehe ihre Partei bereit, sagte Kipping nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Auch die Grünen begrüßten grundsätzlich das Vorhaben, die Verlängerung des ALG-I-Bezugs an Qualifizierungsmaßnahmen zu knüpfen. Das Prinzip sei allerdings nicht neu, außerdem hätten die Bezieher des Arbeitslosengeldes II nichts davon, erklärte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Brigitte Pothmer. Eine Neuberechnung des ALG-II-Regelsatzes fehle in dem SPD-Konzept völlig. "Arbeitslosengeld-II-Bezieher passen offenbar nicht in sein Schema vom 'hart arbeitenden Menschen'", kritisierte die Grünen-Politikerin den SPD-Kanzlerkandidaten.
Hingegen sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG: "Die rückwärtsgewandten Vorschläge verführen zu Warteschleifen, an deren Ende nicht Beschäftigung, sondern Frühverrentung steht."
Qualifizierungsmaßnahmen bei Arbeitslosen seien zweifelsohne wichtig, "führen aber nur in rund der Hälfte aller Fälle zu einer nachhaltigen Integration". Kampeter warnte vor einer "Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik". CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte gegenüber Medienvertretern, weil die Sozialdemokraten in der Vergangenheit gefangen seien und noch immer mit der erfolgreichen Politik der Agenda 2010 haderten, führe Schulz die Partei weiter nach links. Anstatt über längeres Arbeitslosengeld nachzudenken, "sollten wir darüber reden, wie Deutschland wirtschaftlich stark bleibt, damit auch in Zukunft neue, sichere Arbeitsplätze entstehen", sagte Tauber.
Rückendeckung erhielt Schulz hingegen aus der eigenen Partei. Wenn jemand 50 oder 55 sei, habe er bislang kein Recht auf Weiterbildung, sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in einem Interview. Die Agenda 2010 sei seinerzeit richtig gewesen, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hierzu. Und heute sei es richtig, die Reform zu reformieren.
(S.Sokolow--BTZ)