Deutschland und viele EU-Staaten erkennen Guaidó als Interimspräsidenten an
Deutschland und viele andere europäische Staaten haben den Oppositionspolitiker Juan Guaidó offiziell als Übergangspräsidenten Venezuelas anerkannt. Sie sprachen Staatschef Nicolás Maduro damit am Montag die Legitimität ab, nachdem dieser ein Ultimatum zu neuen Präsidentschaftswahlen hatte verstreichen lassen. Von Guaidó wird nun erwartet, dass er "einen Wahlprozess möglichst schnell" einleitet, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte. Moskau als Verbündeter Maduros warf den Europäern "Einmischung" in die inneren Angelegenheiten Venezuelas vor.
Binnen weniger Stunden wurde die Liste der Länder, die den venezolanischen Parlamentspräsidenten Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten anerkennen, immer länger: Neben Deutschland erkannten auch Frankreich, Spanien, Großbritannien, Österreich, Schweden und Dänemark Guaidó an. Die USA, Kanada, Australien, Israel und eine Reihe lateinamerikanischer Staaten, darunter die Nachbarländer Kolumbien und Brasilien, hatten dies bereits zuvor getan.
Merkel begründete den Schritt bei ihrem Besuch in Tokio mit dem von der Bundesregierung und anderen EU-Staaten gesetzten Ultimatum, das Maduro verstreichen ließ: "Es gilt, was wir gesagt haben. Bis gestern ist keine Wahl für eine Präsidentschaft ausgerufen worden." Deshalb sei jetzt Guaidó die Person, "mit der wir darüber reden, und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozess möglichst schnell" einleite. "Wir hoffen, dass sich dieser Prozess möglichst kurz und friedlich gestaltet." Laut Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stellt Berlin zudem Mittel in Höhe von fünf Millionen Euro für humanitäre Hilfe für Venezuela zur Verfügung, sobald dies die politischen Verhältnisse zulassen.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez forderte Guaidó auf, schnell Neuwahlen auszurufen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte im Kurzbotschaftendienst Twitter an, sein Land unterstütze in der Übergangsphase die Kontaktgruppe der EU und lateinamerikanischer Staaten. Sie kommt am Donnerstag auf Ministerebene in Montevideo zusammen, um über Unterstützung für die erhoffte Präsidentenwahl zu beraten.
Der britische Außenminister Jeremy Hunt erklärte auf Twitter, Guaidó solle so lange im Amt bleiben, "bis glaubwürdige Wahlen abgehalten werden können". Österreichs Kanzler Sebastian Kurz gab die offizielle Anerkennung Guaidós durch sein Land bei Twitter auf Spanisch bekannt. Die EU hatte sich bisher nicht auf eine gemeinsame Anerkennung Guaidós einigen können, Widerstand kam nach Angaben von Diplomaten aus Italien.
Russland reagierte mit scharfer Kritik. Die Versuche, "die gesetzeswidrige Machtergreifung" Guaidós zu legitimieren, seien eine "Einmischung" in die inneren Angelegenheiten Venezuelas, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dies sei bei der Suche nach einer "friedlichen, wirksamen und anhaltenden Lösung der Krise" wenig hilfreich.
Sollte Maduro die Macht in Venezuela abgeben müssen, würde Russland einen langjährigen Verbündeten in Lateinamerika verlieren. Der seit Jahren amtierende linksnationalistische Staatschef wird neben Russland auch von China, Nordkorea, der Türkei, Mexiko und Kuba unterstützt. Er wirft den USA vor, auf seinen Sturz hinzuarbeiten.
Maduro hatte in der Nacht zum Montag die Frist der EU-Staaten verstreichen lassen. Er sagte am Sonntagabend dem spanischen Sender La Sexta dazu, er werde nicht mit "Feigheit" auf den "Druck" reagieren. "Sie versuchen uns mit Ultimaten in die Enge zu treiben, damit wir gezwungen sind, uns in eine Extremsituation der Konfrontation zu begeben." Die EU verlange neue Präsidentschaftswahlen in Venezuela, weil bei den letzten Wahlen nicht ihre "rechten Verbündeten" gewonnen hätten.
Bei einem Krisentreffen wollten mehrere Staaten über ihr weiteres Vorgehen beraten. Dazu kommen die Außenminister der sogenannten Lima-Gruppe aus Kanada und 13 lateinamerikanischen Staaten am Montag (9.00 Uhr Ortszeit; 15.00 Uhr MEZ) in Ottawa zu einer Krisensitzung über die Lage in Venezuela zusammen. US-Außenminister Mike Pompeo wird per Videokonferenz zugeschaltet. Auch die EU könnte in die Beratungen einbezogen werden.
(N. Lebedew--BTZ)