Anwalt: In Moskau inhaftierter US-Bürger erhielt unwissentlich geheime Dokumente
Der in Moskau wegen Spionagevorwürfen inhaftierte US-Bürger Paul Whelan war nach Angaben seines Anwalts unwissentlich im Besitz von russischen Staatsgeheimnissen. Der 48-Jährige habe einen USB-Stick mit geheimen Dokumenten erhalten, habe vom Inhalt des Datenträgers aber keine Kenntnis gehabt, sagte Whelans Verteidiger Wladimir Scherebenkow am Dienstag nach einer Anhörung in Moskau. Eine Freilassung des im Dezember festgenommenen US-Bürgers gegen Zahlung einer Kaution lehnte das Gericht ab.
Sein Mandant sei davon ausgegangen, dass sich auf dem USB-Stick Informationen über die russische Kultur befänden, sagte Scherebenkow. Er habe sich die Daten vor seiner Festnahme gar nicht mehr ansehen können. Der Anwalt machte keine Angaben darüber, von wem Whelan den USB-Stick erhalten haben soll.
Der frühere US-Soldat war bei der Anhörung am Dienstag erstmals seit seiner Festnahme Ende Dezember öffentlich zu sehen. Er nahm im Gerichtssaal in einem Glaskasten Platz, wie es in Russland für Beschuldigte üblich ist.
Den Antrag der Verteidigung, Whelan gegen Kaution aus der Untersuchungshaft zu entlassen, lehnte der Richter ab. Scherebenkow kündigte an, die Entscheidung anzufechten. Er gehe davon aus, dass der Prozess gegen Whelan mindestens ein halbes Jahr lang dauern werde.
Der ehemalige US-Marinesoldat war am 28. Dezember vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB bei einem mutmaßlichen "Spionageakt" gefasst worden. Anfang Januar wurde er formell angeklagt. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Einige Beobachter vermuten, dass Russland mit Whelans Festnahme Vergeltung üben wollte für die Verhaftung der Russin Maria Butina, die im Dezember wegen Agententätigkeit in den USA schuldig gesprochen worden war. Sie hatte gestanden, als "Agentin" ihres Heimatlandes konservative Zirkel der Vereinigten Staaten unterwandert zu haben.
Whelan hat neben der US-Staatsbürgerschaft auch die irische und die kanadische. Während der US-Botschafter in Russland, Jon Huntsman, ihn bereits im Gefängnis besuchte, wurde Großbritannien und Kanada ein konsularischer Zugang laut Whelan verwehrt.
Eine Sprecherin der US-Botschaft in Moskau sagte russischen Medien, die diplomatische Vertretung verfolge den Fall "genau". Russland müsse sich an internationales Recht halten und einen "schnellen, fairen und transparenten Prozess" gewährleisten.
Whelan hielt sich nach Angaben seiner Familie Ende Dezember in Moskau auf, um an einer Hochzeit teilzunehmen. Die Familie wies die russischen Vorwürfe zurück.
Die "New York Times" berichtete, Whelan sei im Jahr 2008 vor ein Militärgericht gestellt worden. Dem damaligen US-Marinesoldaten sei Diebstahl und Weitergabe ungedeckter Schecks vorgeworfen worden - ein Tatbestand, der den Betroffenen in den meisten Fällen von Geheimdienstarbeit ausschließt.
(D. Fjodorow--BTZ)