
EU gibt Ukraine-Milliarden frei - Polens Blockade beendet

Die Europäische Union kann der Ukraine ab Januar neue Finanzhilfen von bis zu 18 Milliarden Euro zahlen: Nach einem eindringlichen Appell des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beendete Polen auf dem EU-Gipfel in Brüssel seine überraschende Blockade, wie mehrere Diplomaten mitteilten. Die EU-Länder einigten sich zudem auf das 9. Sanktionspaket gegen Russland wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine. Es sieht Einreise- und Vermögenssperren für fast 200 weitere Verantwortliche und Organisationen vor.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte der Ukraine die neuen Hilfskredite bereits Anfang November in Aussicht gestellt. Damit sollen unter anderem Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine finanziert werden. Die stark vergünstigten Kredite sollen in monatlichen Tranchen von jeweils 1,5 Milliarden Euro fließen.
Eigentlich wollten die Staats- und Regierungschefs die neuen Milliarden nur formell besiegeln. Doch der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki warf der EU plötzlich "Erpressung" vor. Er kritisierte, dass die neuen Gelder für Kiew mit anderen Themen wie der Mindeststeuer für internationale Konzerne verknüpft worden waren. Dies sei wie "Äpfel und Bananen" in einem Korb, beklagte sich Morawiecki.
Die Wende kam laut Diplomaten mit der Videobotschaft Selenskyjs an den Gipfel: "Der Kampf für Frieden in der Ukraine und in ganz Europa sollte nicht von Missverständnissen und Kontroversen zwischen einigen EU-Mitgliedstaaten abhängen", mahnte der ukrainische Präsident. Danach lenkte Polen ein. Die Volte sorgte in Brüssel für Kopfschütteln, denn eigentlich versteht sich Warschau als größter Unterstützer der Ukraine in der EU.
Für neuen Druck sorgte das 9. Sanktionspaket gegen Russland. EU-Ratspräsident Charles Michel bestand laut Diplomaten auf eine Einigung noch während des Gipfeltreffens. Den Botschaftern der 27 Mitgliedsländer gelang am Donnerstagabend die erhoffte Einigung.
Das Paket sieht auch neue Exportbeschränkungen für Güter vor, die zivil wie militärisch genutzt werden können sowie für die Lieferung von Drohen-Bestandteilen an Russland wie den Iran. Polen hatte zuletzt noch eine Verschärfung der Maßnahmen verlangt.
Keinen Durchbruch gab es bei dem Gipfel im monatelangen Streit um einen Gaspreisdeckel. Damit müssen sich am Montag erneut die Energieminister befassen, die zuvor bei mehreren Treffen keine Lösung gefunden hatten.
Die Bundesregierung fürchtet Versorgungsengpässe, sollten die Europäer eine solche Preisobergrenze für den Großhandelspreis von Gas einführen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte in Brüssel eine möglichst "einvernehmliche" Lösung.
Im Gespräch war zuletzt eine Obergrenze für den europäischen Referenzpreis von 180 bis 220 Euro pro Megawattstunde. Die EU-Kommission hatte 275 Euro vorgeschlagen. Ein solcher Wert wurde aber selbst auf dem Höhepunkt der Gaskrise im August nicht erreicht, womit der Preisdeckel faktisch wirkungslos wäre.
Zudem einigten sich die EU-Staaten auf eine Stärkung der heimischen Wirtschaft angesichts der massiven US-Subventionen für die Industrie. Bis Anfang des kommenden Jahres soll die EU-Kommission laut dem Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen eine Strategie ausarbeiten. Die Mittel dafür bleiben umstritten: Frankreich forderte neue Gemeinschaftsgelder, Deutschland lehnt dies ab und verweist auf noch nicht ausgegebene Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds.
Gute Nachrichten gab es für Bosnien-Herzegowina: Das Land kann sich nun endgültig EU-Beitrittskandidat nennen. Allerdings verlangt die EU vor der Aufnahme der eigentlichen Verhandlungen umfangreiche Reformen in dem Land.
S. Sokolow--BTZ