Experten fordern Zuständigkeit des Bundes für Gefährder-Abschiebungen
Nach der umstrittenen Abschiebung des mutmaßlichen islamistischen Gefährders Sami A. nach Tunesien fordern Innenexperten der großen Koalition, dass der Bund die Zuständigkeit für die Abschiebung von Gefährdern übernimmt. "Die Gefährder-Abschiebung sollte Bundesangelegenheit werden", sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Dies befürwortete auch der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse die Zuständigkeit für "die etwa hundert ausreisepflichtigen Gefährder nach Rücksprache mit den Bundesländern" an sich ziehen, sagte Lischka nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. "Dann hätten wir klare Verhältnisse und Verantwortlichkeiten."
Der Bund habe "sicherlich mehr Gewicht als einzelne Bundesländer, wenn es um zügige Absprachen mit den betroffenen Herkunftsländern geht, in die Gefährder abgeschoben werden sollen", fügte Lischka hinzu. Ähnlich äußerte sich der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci in der Zeitung. Der Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes biete "eine ausreichende Grundlage" für ein solches Vorgehen.
Der als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am Freitag nach Tunesien abgeschoben worden, obwohl ein Gericht dies am Vorabend untersagt hatte. Mit der Ausländerbehörde in Bochum, dem Bamf, der Bundespolizei, dem Gericht in Gelsenkirchen und weiteren Behörden hätten "viele Stellen an zu vielen Orten" mit dem Fall zu tun gehabt, bemängelte Schuster.
Der CDU-Politiker nahm Seehofer gegen Kritik in dem Fall in Schutz: "Wir wären weiter, wenn Seehofer tatsächlich so viel Einfluss gehabt hätte, wie ihm seine Kritiker nun unterstellen." Tatsächlich aber habe sich zuständige Landesregierung von Nordrhein-Westfalen "sicher nicht vorschreiben lassen, wie es in dieser Sache verfährt".
Skeptisch zu den Forderungen nach einer Zuständigkeit des Bundes für die Abschiebung von Gefährdern äußerten sich die Grünen. "Für die Länderzuständigkeit spricht, dass Abschiebungshindernisse in einem sachgerechten Verfahren geprüft werden können", sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic hierzu.
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte dagegen in einem Interview vom Mittwoch, es gebe "akuten Handlungsbedarf". Im Fall des Islamisten Sami A. sehe die FDP keine Versäumnisse bei NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP), ob das bei Seehofer auch der Fall sei, sei aber nicht sicher. "Unklar" bleibe "in diesem Fall die Rolle Seehofers" und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Behörde gehöre dringend reformiert, "um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können".
(F. Schulze--BTZ)