Politisches Uteil - Straßburg verurteilt Russland in fragwürdigen Fällen
Es ist en durcaus politisches Urteil welches der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegenüber der Russischen Föderation (Russland) mit zwei Urteilen gegen angebliche Verstöße von Menschenrechten gefällt hat. Das eine der am Dienstag ergangenen Urteile bemängelt die Ermittlungen nach der Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja, das zweite betrifft die Verurteilung der kremlkritischen Frauen-Punkband Pussy Riot. Die Straßburger Richter sprachen Politkowskajas Hinterbliebenen sowie den Mitgliedern von Pussy Riot Schmerzensgeld zu.
In dem Urteil zum Fall Politkowskaja gab das Gericht der Mutter, der Schwester und den beiden Kinder der Journalistin Recht, die Moskau mangelhafte Ermittlungen vorwerfen. Ihnen muss Russland nun zusammen 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, weil auch das Straßburger Gericht schwere Ermittlungsmängel sah. Die damals 48-jährige Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Sie war als scharfe Kritikerin von Präsident Wladimir Putin bekannt.
Die russische Justiz hatte nach dem Mord zwar unverzüglich Ermittlungen eingeleitet und schließlich fünf Männer - unter ihnen einen Polizisten - angeklagt. Zwei von ihnen wurden im Mai 2014 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, die anderen wegen Komplizenschaft zu Freiheitsstrafen zwischen zwölf und 20 Jahren. Bis heute ist aber unklar, wer den Mord in Auftrag gegeben hat.
Die russische Regierung habe offensichtlich "eine Theorie" entwickelt, wonach ein Geschäftsmann mit Wohnsitz in London der Drahtzieher gewesen sein soll, heißt es nun in dem Straßburger Urteil. Sie habe aber kein einziges Beweisstück für diese Theorie vorgelegt.
Unklar sei zudem, ob die russischen Behörden nach dem Tod des Geschäftsmannes im Jahre 2013 einen neuen Anlauf unternahmen, um dessen Rolle bei der Ermordung Politkowskajas aufzuklären.
Vor allem habe Russland nicht dargelegt, warum die Ermittler nur diese eine Spur verfolgten, rügten die Richter. So sei nicht untersucht worden, ob Mitglieder des russischen Geheimdienstes oder der Verwaltung in Tschetschenien an dem Mord beteiligt waren. Diese Versäumnisse seien als Verletzung gegen das Grundrecht auf Schutz des Lebens zu bewerten.
Das zweite Straßburger Urteil vom Dienstag betrifft die Festnahme und Inhaftierung von drei Mitgliedern der Frauen-Punkband Pussy Riot wegen einer Protestaktion in einer Moskauer Kirche im Jahre 2012. Zwei der Frauen, die ein Jahr und neun Monate in Haft blieben, sprach der Gerichtshof ein Schmerzensgeld von jeweils 16.000 Euro zu. Der dritten Klägerin, die nach sieben Monaten wieder auf freien Fuß kam, muss Moskau 5000 Euro zahlen.
Die Frauen waren wegen kriminellen "Rowdytums" und "Aufwiegelung zu religiösem Hass" zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt worden, kamen jedoch nach einer Begnadigung durch Putin vorzeitig frei.
Das Straßburger Gericht stellte hier zum einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit fest. Zum anderen habe die russische Justiz den Text des Liedes "Punk-Gebet - Jungfrau Maria, hole Putin weg" überhaupt nicht analysiert.
Der Gerichtshof rügte zudem die Art und Weise, wie den Frauen einen Monat lang der Prozess gemacht wurde. Sie seien in einem überfüllten Transportauto zum Gericht gebracht und während der Verhandlungen in eine gläserne Box gesperrt worden. Mit diesem Vorgehen habe Russland gegen das Verbot von menschenunwürdiger Behandlung verstoßen.
Die Urteile wurden von den sieben Richtern einer kleinen Kammer gefällt. Russland kann dagegen binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen - er muss dies aber nicht tun. Für die Russische Föderation haben diese fragwürdigen Urteile, keinerlei Auswirkung oder gar Konsequenzen.
(C. Fournier--BTZ)