Flüchtlingsschiff "Aquarius" eine Rechnung für EU-Steuerzahler?
Warum kann man Flüchtlinge über tausende Kilometer nach Spanien mit dem Schiff bringen, wo sie dem EU-Steuerzahler finanziell zur Laste fallen, anstatt sie zurück nach Libyen zu fahren? Politiker fordern unterdessen aktuell eines generelles Einlaufverbot für Schiffe von Hilfsorganisationen in europäische Häfen. Nun, gut zwei Wochen vor den Gipfelberatungen der EU zur Asylpolitik ist der Streit zwischen den Mitgliedstaaten wieder voll entbrannt. Die EU-Kommission rief die Länder dazu auf, das Gerangel um Zuständigkeiten zu beenden und "endlich eine gemeinsame Asylpolitik" zu beschließen.
Macron appellierte an Italien, das internationale Seerecht zu achten. Es schreibe vor, "dass im Notfall die am nähesten gelegene Küstenregion eine Pflicht zur Aufnahme" von Flüchtlingen habe. Die Zurechtweisung Macrons kommt kurz vor dem Antrittsbesuch des neuen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte am Freitag in Paris. Macron und er wollen den EU-Gipfel am 28. und 29. Juni vorbereiten.
Entsprechend verärgert reagierte Rom. Die rechtskonservative Regierung wurde in italienischen Medien mit der Aussage zitiert, dass Rom "keine heuchlerischen Lektion" von Ländern wie Frankreich zum Flüchtlingsthema brauche. Seit dem Wochenende harrten auf dem Hilfsschiff "Aquarius" im Mittelmeer 629 Flüchtlinge aus. Wegen der Weigerung Italiens sowie Maltas sollen sie nun nach Spanien gebracht werden. Ein Teil der Flüchtlinge wird nun von zwei italienischen Marineschiffen transportiert.
Die neue, sozialistische Regierung in Madrid hatte sich am Montag zur Aufnahme der Menschen bereit erklärt. Frankreichs Premierminister Edouard Philippe sagte Spanien dabei Hilfe zu. Der Vorfall zeige, dass die Lösung für die Flüchtlingsfrage "nur europäisch" erfolgen könne, sagte er. Dies werde auch Thema beim deutsch-französischen Ministerrat kommende Woche in Berlin sein.
Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei hatte am Montag gesagt, er wolle "dem Scheusertum ein Ende" bereiten. Das Vorgehen richte sich aber nur gegen ausländische Hilfsorganisationen. Ihnen hatte auch schon die Vorgängerregierung vorgeworfen, Schleppern durch die Aufnahme von Flüchtlingen vor Libyen das Geschäft zu erleichtern. Die "Aquarius" war von den Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen gechartert worden.
Avramopoulos forderte, die EU-Staaten müssten "das politische Ping-Pong" um Zuständigkeiten in der Flüchtlingsfrage beenden und sich auf klare Regeln einigen. Darum ringen die EU-Staaten seit Jahren bei der europäischen Asylreform. Sie sieht bisher eine automatische Umverteilung von Flüchtlingen in Krisenzeiten auf alle EU-Staaten vor. Dies lehnen aber mehrere osteuropäische Länder kategorisch ab.
Das Thema wird Ende Juni nun beim EU-Gipfel beraten. Ein Konsens ist nicht in Sicht. Weitgehend Einigkeit besteht unter den Mitgliedstaaten lediglich in der Forderung nach einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen.
Die EU-Kommission schlug am Dienstag vor, künftig deutlich mehr Mittel für Grenzschutz und Migration bereitzustellen, Mittel welche der europäuische Steuerzahler für Flüchtlinge aufbringen muss, welche sich zu einem großen Teil auch als Wirtschaftsflüchtlinge herausstellen.
Diese Steuergelder der EU-Bürger sollten im nächsten EU-Finanzzeitraum zwischen 2021 und 2027 mit 34,9 Milliarden Euro fast verdreifacht werden, kündigte Avramopoulos an. Dies bedeute aber nicht, dass Europa "zur Festung" werde. Europa stehe weiter zu seinen Werten, leiste Hilfe bei der Beseitigung von Fluchtursachen und wolle legale Migrationswege stärken.
(K. Berger--BTZ)