Türkei: Inhaftierter HDP-Kandidat Demirtas wendet sich an Wähler
Der inhaftierte türkische Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas hat sich in einer ungewöhnlichen Audiobotschaft an seine Wähler gewandt. Der prokurdische Politiker warf in der fünfminütigen Ansprache aus dem Gefängnis von Edirne Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Türkei in ein "Freiluftgefängnis" verwandelt zu haben. Sich selbst bezeichnete der Kandidat der Demokratischen Partei der Völker (HDP) als "politische Geisel".
Die Audiobotschaft wurde bei dem wöchentlichen Telefongespräch mit seiner Ehefrau Basak aufgenommen, auf das Demirtas als Häftling Anspruch hat. Die HDP verbreitete ein Video, das Basak Demirtas und andere Familienmitglieder in ihrem Wohnzimmer in der Kurdenmetropole Diyarbakir zeigt, wie sie über Lautsprecher der Rede lauschen. Am Ende brechen sie in Applaus und Jubel aus.
"Sie wollen eine Gesellschaft der Angst schaffen und durch Angst regieren", sagte Demirtas in der Rede über die türkische Regierung. Die Wähler sollten aber "Vertrauen in sich selbst" haben. Demirtas scherzte, er "habe Glück", da er wohl der einzige Kandidat sei, der "Wahlpropaganda über das Telefon seiner Frau" machen könne. Zwar wurde Demirtas als Kandidat zur Präsidentschaftswahl am 24. Juni zugelassen, doch kann er sich als Häftling kaum äußern.
Das Staatsfernsehen sowie die privaten Nachrichtensender in der Türkei ignorieren die HDP und Demirtas fast vollständig. Der 45-Jährige, der seit November 2016 unter Terrorvorwürfen in Haft sitzt, veröffentlicht aber über seinen Anwalt regelmäßig Botschaften auf Twitter und gibt auf diesem Weg auch Interviews für die Medien. Am Freitag will Demirtas in den Online-Netzwerken auf Fragen antworten, die ihm vorab zugesandt worden sind.
(N. Nilsson--BTZ)